Die Maori-Prinzessin
verletzen oder zu manipulieren? Seufzend gab sie sich die Antwort selbst: Ihr fehlte es an der notwendigen Boshaftigkeit, um so etwas Gemeines zu tun!
»Ich komme, um etwas mit dir zu klären, bevor du dich mit Daniel verlobst«, sagte sie schließlich in ruhigem Ton.
»Was hast du da schon zu klären? Fragen muss ich dich nicht! Du bist ja nicht meine Mutter. Und wenn wir überhaupt verwandt sind, dann um tausend Ecken!«
Eva sah Berenice beinahe mitleidig an. »Wie kann es nur angehen, dass ein so hübsches Mädchen wie du so ekelhaft ist?«
Berenice überhörte diese Frage und baute sich kämpferisch vor Eva auf. »Also, was willst du?«
»Stimmt es, dass du Daniel erzählt hast, du würdest unter dem Verlust deiner Mutter und deines Stiefvaters so sehr leiden, dass du deren Tod nicht überwinden könntest, wenn er, Daniel, nicht in deiner Nähe wäre?«
»Wenn du es schon weißt, warum fragst du so blöd? Und was geht es dich eigentlich an?«
»Du hast also Daniel verschwiegen, was dir sein Vater kurz vor dem Erdbeben angetan hat?«
Berenice lief feuerrot an.
»Was in Gottes Namen redest du da für einen ausgemachten Unsinn?«
»Ich spreche davon, dass Doktor Thomas dich vergewaltigt oder es zumindest versucht hat!«
»Du bist ja komplett verrückt! Wie kannst du es wagen, solche Lügen über meinen Stiefvater zu verbreiten?« Berenice stampfte zornig mit dem Fuß auf.
Eva war ehrlich verblüfft. »Kannst du dich wirklich nicht mehr erinnern oder spielst du Theater?«
»Ich weiß ja nicht, was du mir einreden willst. Woher hast du diesen Blödsinn? Niemals ist mir so etwas Widerliches geschehen. Mein Stiefvater hat mich wie eine eigene Tochter geliebt. Du bist ja nicht bei Trost!« Berenice hatte vor lauter Erregung im ganzen Gesicht rote Flecken bekommen.
Das zumindest beantwortete Evas Frage. Berenices Empörung schien echt. Dass Berenice so gut schauspielern konnte, hielt Eva für ausgeschlossen. Offenbar hatte sie den Vorfall tatsächlich verdrängt. Das stimmte Eva nachdenklich, und sie nahm sich vor, etwas sensibler vorzugehen. »Du erinnerst dich also an nichts mehr, was kurz vor dem Erdbeben war?«
»Da war nichts Besonderes. Ich wollte aus dem Haus gehen, und da begann die Erde unter mir zu schwanken. Und dann habe ich nur noch gespürt, wie mich etwas am Kopf traf.«
»Und warst du allein im Haus?«
Berenice zuckte die Achseln. »Das weiß ich nicht mehr.«
»Kannst du dich erinnern, ob der Doktor da war?«
»Nein, aber wie sollte er? Er war doch um diese Zeit immer in seiner Praxis.«
»Nicht in den letzten Wochen, weil er nämlich schon morgens betrunken war.«
»Wie kannst du nur so etwas behaupten? Wie gut, dass Mutter das nicht mehr erleben muss. Und wie gut, dass Daniel sich diesen Unfug nicht anhören muss!«
Eva überging diese Bemerkungen und fragte stattdessen: »Kann es sein, dass das Erdbeben dich im Anbau überrascht hat?«
»Was hätte ich wohl im Wirtschaftsraum zu suchen?«, erwiderte Berenice in hochnäsigem Ton.
»Und warum hat dich das Erdbeben dort am Ausgang erwischt?«
Berenice funkelte Eva wütend an. »Sag mal, was sollen diese dummen Fragen? Was weiß ich, wer mich wo gefunden hat!«
»Ich habe dich gefunden. Trümmer des in sich zusammenstürzenden Anbaus haben dich getroffen, und ich habe mich um dich gekümmert. Du hast mir erzählt, was geschehen ist. Dass Doktor Thomas versucht hat, dich zu vergewaltigen, und dass du es nur dem Erdbeben zu verdanken hast, dass du ihm entkommen bist.«
Berenice verdrehte genervt die Augen. »Und wenn schon? Ich war nicht bei mir, hatte Albträume und habe alles durcheinandergebracht. Vergiss mein Gerede! Aber das hättest du dir auch denken können. Doktor Thomas war wie ein Vater zu mir. Nicht wie dieser Wilde, den Großmutter …« Sie unterbrach sich hastig.
Berenice verkniff es sich nachzufragen, was sie damit meinte. Sie stieß einen tiefen Seufzer aus. Es hatte wohl keinen Zweck. Berenice hatte das Erlebte erfolgreich verdrängt. Und deshalb würde sie ihr Wissen um diesen Vorfall niemals gegen Daniel verwenden können. Damit war es auch nicht erforderlich, wenn er davon erfuhr.
Trotzdem bekam sie eine Gänsehaut bei der Vorstellung, dass Daniel seine Zukunft mit dieser unreifen und verwöhnten Person teilen wollte. Doch wie schräg seine Motive auch sein mochten, Berenice zu heiraten, es ging sie, Eva, nichts an. Vielleicht würden sie den Tod ihrer Eltern wirklich besser verwinden, wenn sie
Weitere Kostenlose Bücher