Die Maori-Prinzessin
Brautkleid noch nicht zu Gesicht bekommen! Komm nur herein, Lucie.«
Lucie näherte sich ihrer Enkelin. »Du siehst ganz entzückend aus«, sagte sie kühl. Dann blieb ihr Blick an der Kette hängen, und ihre Freude schien augenblicklich getrübt.
»Das ist doch die Kette von Misses MacMurray, nicht wahr?« Lucies Ton wurde scharf.
»Nein, Großmutter, das ist das Weihnachtsgeschenk von Misses MacMurray an meine Mutter. Ich habe es geerbt. Wenn ich richtig informiert bin, hast du damals von meiner Mutter verlangt, es zurückzugeben!«
»Ja, richtig. Ich wollte nicht, dass Misses MacMurray meiner Tochter derlei wertvolle Geschenke macht. Und genauso unangemessen, wie ich das fand, ist es, dass du am Tag deiner Hochzeit den Schmuck fremder Menschen trägst. Aber wie ich bereits an deinem Vasenarrangement im Flur ersehen konnte, fehlt dir in Geschmacksfragen das sichere Händchen.«
Eva warf Lucie einen erstaunten Blick zu. In solch süffisantem Ton hatte sie Lucie noch nie mit Berenice reden hören, doch die schien den Spott ihrer Großmutter überhaupt nicht wahrzunehmen.
»Ich mag die Kette aber!«, erwiderte Berenice trotzig.
Lucie zog ungerührt eine Samtschatulle hinter ihrem Rücken hervor und reichte sie ihrer Enkelin. Missmutig griff Berenice danach und holte eine Silberkette mit einem Smaragd-Anhänger heraus. Das Schmuckstück war wesentlich schlichter als das, was sie um den Hals trug, doch es wirkte viel geschmackvoller.
»Er ist etwas, wie soll ich sagen, hochwertiger«, flötetet Lucie.
Berenice würdigte das Geschenk keines Blickes, ja, sie nahm es nicht einmal zur Hand, sondern ließ ihre Großmutter damit einfach stehen.
Eva spürte kalte Wut in sich aufsteigen.
»Ich habe es von deinem Großvater zur Geburt von Joanne bekommen«, bemerkte Lucie nachdrücklich, Berenice überhörte ihre Worte und wandte sich jetzt Eva zu. »Hast du das blaue Strumpfband?«
Eva schnappte nach Luft. »Sag mal, das kann ja nicht wahr sein. Du lässt deine Großmutter mit dem Geschenk in der Hand stehen, nimmst es ihr nicht einmal ab? Hast du nicht verstanden? Großmutter möchte, dass du ein Schmuckstück aus der Familie trägst und keines, das von Fremden kommt.«
»Maggy und ihre Mutter sind keine Fremden«, erwiderte Berenice schnippisch.
Eva blickte voller Sorge, sie könne wegen dieser Zurückweisung schwer gekränkt sein, zu Großmutter Lucie hinüber, doch diese schien das Ganze gefasst aufzunehmen. Täuschte sich Eva, oder huschte sogar ein Lächeln über das Gesicht der Maori, als sie das Schmuckstück nun der verblüfften Eva in die Hand drückte. »Trag du es zu deiner Hochzeit. Es gehört dir! Ich wollte Berenice nur nicht übergehen, aber anscheinend entspricht es nicht ihrem Geschmack. Und das erleichtert mich auch in gewisser Weise.«
Eva zögerte nicht, es an sich zu nehmen, obwohl Berenice sie nun angriffslustig musterte. In ihrem Gesicht dominierten wieder jene Züge, die Eva an ihr kannte und von denen sie gehofft hatte, sie wären mit der Liebe zu Hans auf immer verschwunden.
»Freu dich doch!«, bemerkte Berenice schnippisch, während sie sich das blaue Strumpfband, das Eva ihr besorgt hatte, vom Tisch nahm. »So bekommst du auch etwas zu meiner Hochzeit. Wahrscheinlich hättest du es eh bekommen, nachdem du Adrian geheiratet hast, wenn ihr dann noch dazu gekommen wäret, die Hochzeit auch zu feiern. Und nun etwas Geliehenes. Hast du daran gedacht?«
Eva nickte und reichte ihr ein silbernes Abendtäschchen. Als sie sich bei Lucie für die schöne Kette bedanken wollte, war Großmutter Lucie verschwunden. Sie musste das Zimmer auf Zehenspitzen verlassen haben.
»Sag mal, Berenice, warum tust du das?«, fragte Eva.
»Was meinst du? Warum ich Großmutter nicht von Herzen liebhaben kann? Das will ich dir sagen.« Sie senkte geheimnisvoll ihre Stimme. »Sie ist gar nicht meine richtige Großmutter!« Eva zuckte zusammen. Wusste Berenice etwa Bescheid? Aber das hätte ihr Lucie doch erzählt.
»Du spinnst!«, widersprach Eva ihr entschieden.
»Nein, nein, Mutter hat es mir selbst gesagt«, flüsterte Berenice. »Sie glaubte fest daran, dass Großvater einst mit einer feinen Dame der Gesellschaft eine Liebelei hatte, die nicht ohne Folgen geblieben ist. Und du musst zugeben, Mutter und ich haben gar nichts von einer Maori an uns.«
»Und wer hat deiner Mutter diesen Floh ins Ohr gesetzt?«
»Mutters Freundin Rosalyn hat es aufgeschnappt, und als meine Mutter ihre Eltern daraufhin zur
Weitere Kostenlose Bücher