Die Maori-Prinzessin
Sie hat mir bereits am Telefon abgesagt. Offenbar hat sie beschlossen, so schnell wie möglich nach London zurückzugehen. Sie hat wohl einen Mann kennengelernt, den sie demnächst heiraten wird. Da sie spätestens im Oktober das Land verlässt, schafft sie es nicht mehr.«
»Aber das sind noch über zwei Monate. Schließlich bist du ihre beste Freundin. Und wirst du zu ihrer Hochzeit nach Wellington reisen?«
»Das hoffe ich sehr. Dies hier wird die Einladung sein!« Euphorisch öffnete Berenice den Brief und begann zu lesen. Ihre Miene verfinsterte sich zunehmend.
»Sie werden in aller Stille heiraten und erst in London ein großes Fest geben«, knurrte sie schließlich. »Und das wäre wohl zu viel verlangt, wenn Hans und ich uns auf die weite Reise machten, schreibt sie.« Berenice schien sichtlich enttäuscht, denn sie legte den Brief rasch beiseite.
»Vielleicht möchtest du unter diesen Umständen doch lieber das Schmuckstück …«
»Hör endlich auf damit und geh mir mit dem Tand aus den Augen«, schimpfte Berenice.
Eva aber band sich die Kette ungerührt selber um. Nun hatte sie Berenice das Schmuckstück wirklich zur Genüge angeboten. Sie warf einen Blick in den Spiegel. Es passte hervorragend zu ihrem roten Abendkleid.
Es klopfte erneut an der Tür. »Wir wären dann fertig. Der Standesbeamte und der Pfarrer warten schon.«
»Na dann«, flötete Berenice, als wäre nichts geschehen und lächelte dazu.
Eva öffnete ihr die Tür, durch die Berenice mit ihren ausladenden Tüllröcken wie eine Prinzessin schwebte.
Da es keinen Brautvater gab und auch sonst keinen männlichen Verwandten, der Berenice zum Altar führen konnte, hatte die Braut Daniel gebeten, das zu übernehmen.
Eva ging das Herz auf, als sie ihn vor der Tür zum Wintergarten stehen sah. Er sah beeindruckend aus in seinem Abendanzug. Und es gab ihr einen leichten Stich, als sich die Braut besitzergreifend bei ihm unterhakte. Schließlich hatte sie ja einst mehr als ein Auge auf ihn geworfen, doch sie blickte nur mit fiebrigen Augen nach vorne zu dem Tisch, an dem die Trauung stattfinden sollte. Dort wartete Hans schon ungeduldig auf sie, trat nervös von einem Bein auf das andere. Der Raum war wie eine Kirche ausstaffiert, zu beiden Seiten des Mittelgangs befanden sich Stühle und vorne ein Tisch, der etwas von einem Altar hatte. Alles war mit üppigen Blumenbouquets geschmückt. Hans hatte Eva gesagt, es wäre ihre Aufgabe, nach der Trauungszeremonie dafür zu sorgen, dass Tische aufgestellt wurden, damit das Essen ebenfalls in diesem Raum stattfinden konnte. Und nach dem Essen sollte er dann in einen Tanzsaal umfunktioniert werden. Das Personal wusste Bescheid, aber Eva sollte diese Arbeiten beaufsichtigen.
Erst einmal war sie für die Ringe zuständig. Sie trug sie in einem Samtkästchen bei sich. Hastig eilte sie zu ihrem Platz in der ersten Reihe, wo Hans’ Trauzeuge Ben bereits auf seinem Platz saß.
»Na, schöne Frau, aufgeregt?«, fragte er und rückte gleich ein Stück näher an sie heran. Zu nahe für ihren Geschmack.
»Warum sollte ich?«, entgegnete sie knapp. Sie konnte sich nicht helfen. Mit diesem Kerl wurde sie partout nicht warm. Er war ein Großmaul, das am liebsten von seinen eigenen Heldentaten redete. Und wenn Eva ehrlich war, gönnte sie ihrem Bruder und seinem Freund zwar, dass sie es in Los Angeles zu Wohlstand gebracht hatten, aber sie hatten auch Gesetze übertreten und waren noch rechtzeitig aus dem Land gekommen, bevor man sie ins Gefängnis hatte stecken können. Eine Heldentat sah in Evas Augen anders aus. Da waren etwa die vielen Freiwilligen, die Napier nach dem Erdbeben emsig wiederaufgebaut hatte und nicht diese zwei Abenteurer. Das behielt Eva natürlich für sich. Ihr Bruder wäre sicherlich tödlich beleidigt, wenn er wüsste, dass sie ihn nicht mehr gnadenlos bewunderte. Das nämlich erwartete er von seiner kleinen Schwester.
Eva war froh, als sich Daniel zu ihrer Rechten setzte, nachdem er die Braut Hans übergeben hatte. Er nahm ihre Hand und drückte sie ergriffen. In dem Augenblick rückte Ben wieder von ihr ab. Sie atmete erleichtert auf.
Während der gesamten Zeremonie ließ Daniel ihre Hand nicht los. Trotz aller Vorbehalte war Eva gerührt, wie Berenice und Hans sich erst vor dem Standesbeamten und dann vor dem Pfarrer ihr Jawort gaben. Sie taten das ganz offensichtlich aus vollem Herzen. Berenice hatte sogar feuchte Augen, während Hans nicht aufhörte zu strahlen.
»Dein Bruder
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