Die Maori-Prinzessin
gekommen bist. Das ist kein Zufall …« Sie schloss die Augen und murmelte unverständliche Worte vor sich hin.
Eva war das unheimlich. Am liebsten wäre sie aufgestanden und hätte das Zimmer verlassen. Doch dann riss Lucie die Augen wieder auf.
»Du wirst bleiben, mein Kind, das ist der Platz, den deine Ahnen für dich vorgesehen haben. Du gehörst hierher!«
Eva verkniff sich zu erwidern, dass sie nicht an die Macht der Ahnen glaubte. Sie hatte ja sogar schon ihre liebe Mühe, an ihren Gott zu glauben, weil sie sich nicht vorstellen konnte, dass er so grausam war und ihre Mutter zeitlebens so schrecklich hatte leiden lassen. Dennoch jagte ihr das Gerede der Maori Angst ein. Sie weigerte sich, auch nur einen einzigen Gedanken an die beschwörenden Worte der alten Dame zu verschwenden. Neuseeland war eine Zwischenstation. Dessen war sich Eva ganz sicher.
»Gut, ich könnte das Schreiben für Sie übernehmen, also Ihre Geschichte zu Papier bringen, bis mein Vater mir das Geld für die Überfahrt schickt. Und das wird sicher nicht vor Weihnachten sein – schaffen wir das denn?«
Lucie musterte Eva durchdringend. Dann erhellte sich ihre Miene.
»Nein, natürlich nicht. Mein Plan ist bislang daran gescheitert, dass ich keine Sekretärin hatte. Niemals werden wir bis Weihnachten fertig, aber er soll es ja auch noch gar nicht lesen, bevor er nicht in Wellington ist. Wir brauchen bestimmt noch den Januar, um es zu vollenden. Und natürlich werde ich dich bezahlen. Das ist schließlich echte Arbeit. Wann können wir anfangen?«
»Meinetwegen gleich, ich wüsste ohnehin nicht, was ich mit dem Tag anfangen sollte.«
»Auch das werden wir ändern. Adrian wird dir sicher gern die Stadt zeigen. Oder dich mit zur Bold Winery mitnehmen.«
Eva senkte den Kopf. Sie hoffte, dass sie nicht rot geworden war, aber sie dachte daran, wie sie Adrians Einladung, ihn zu begleiten, am Morgen ziemlich schroff abgelehnt hatte. Dabei hatte sie sein Angebot durchaus gereizt, denn er hatte versprochen, ihr auf dem Weg dorthin die schönsten Häuser der Stadt zu zeigen. Aber sie wusste auch, warum sie ihn so vor den Kopf gestoßen hatte. Sie mochte den jungen Mann mehr, als sie es sich zugestehen wollte. Sie konnte doch ihr Herz nicht an einen Mann verschenken, von dem sie sich in ein paar Wochen würde verabschieden müssen und den sie niemals wiedersehen würde!
»Wollen wir uns auf die Veranda setzen? Ich habe mein Haus nämlich heute ganz für mich. Meine Tochter und meine Enkelin sind für ein paar Tage mit dem Doktor nach Wellington gefahren.«
»Ich habe es nebenbei am Frühstückstisch erfahren«, bemerkte Eva.
»Und sie haben dich nicht gefragt, ob du sie begleiten möchtest? Auf diese Weise hättest du eine kleine Reise durch unser schönes Land unternehmen und Wellington kennenlernen können.«
»Nein, sie waren alle furchtbar in Eile, und ich glaube, Ihre Enkelin hätte mir die Augen ausgekratzt, wenn ich Anstalten gemacht hätte mitzufahren.«
»Das kann ich mir vorstellen. Berenice glaubt nämlich, der Sohn des Doktors gehöre ihr. Wie ihre Kleider und Schmuckstücke. Daniel ist ein netter Kerl. Berenice braucht ein Kleid, denn eine Woche vor Weihnachten feiert Adrian seinen Geburtstag. Bei der Gelegenheit besuchen sie den Jungen, also, ich meine, den jungen Mann, und nehmen ihn auf dem Rückweg gleich bis über Weihnachten mit …« Lucies Blick blieb an Evas bestem Kleid hängen. »Was ist mir dir? Hast du Abendgarderobe aus Deutschland mitgebracht?«
Eva lachte trocken. »Ich besitze keine Abendgarderobe. Ich habe ein Trachtenkleid besessen, das ich zu den Weinfesten getragen habe, aber das hat mein Vater auch verkauft, um die Passagen für uns zu erwerben. Und die abgelegten Kleider Ihrer Enkelin will ich nicht. Da trage ich lieber weiter meine Winterröcke«, erklärte sie kämpferisch, während sie sich den Schweiß von der Stirn wischte. Es war heiß an diesem Ende der Welt. Wie an einem Hochsommertag in Badenheim. »… oder ich besorge mir Stoff und nähe mir etwas Leichtes«, fügte sie rasch hinzu.
»Gut, gut.« Lucie griff in ihre Geldbörse, die auf dem Tisch lag, und zog ein paar Geldscheine hervor. »Das ist eine Anzahlung. Geh in die Hastings Street. Dort gibt es moderne Kleidung für dein Alter. Und, was die Abendgarderobe angeht, da müssen wir uns etwas einfallen lassen.«
»Nicht nötig, ich mache mir nichts aus schönen Kleidern …«, erwiderte Eva verlegen, doch Lucie drückte ihr das Geld in
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