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Die Maori-Prinzessin

Die Maori-Prinzessin

Titel: Die Maori-Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
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sie mich heimlich in englischer Sprache unterrichtet haben, ich weiß nicht, was er mit mir angestellt hätte. Er war ein sehr mächtiger Herrscher, aber auch ein unbelehrbarer Mann …«



H AVELOCK N ORTH , J ANUAR 1868
    Tom Bold sprang von seinem Pferd und beugte sich besorgt über die schöne junge Frau, die leblos im Staub der Hauptstraße lag. Er fühlte, dass sie atmete. Dann erst sah er das Blut, das aus einer Wunde an ihrem Arm tropfte. Es sah so aus, als hätte jemand sie mit einem Messer traktiert.
    Er packte sie an den Schultern und schüttelte sie vorsichtig, aber sie machte keine Anstalten aufzuwachen.
    Als Tom aufsah, war er von einer Gruppe Schaulustiger umringt. Die meisten waren Männer. Einige feixten über die Kleidung der verletzten Frau und rissen Witze über ihr Flachsröckchen. Einer ging sogar so weit, lautstark zu verkünden, er werde nachschauen, was sie darunter trage. Tom Bold aber schubste ihn grob in die Menge zurück, als er Anstalten machte, seine Drohung in die Tat umzusetzen.
    »Holt lieber endlich einen Arzt«, rief er, doch keiner der Männer rührte sich. In diesem Augenblick schlug die junge Frau die Augen auf und Tom Bold blickte in die schönsten braunen Augen, die er jemals gesehen hatte. Der Zauber währte allerdings nur den Bruchteil einer Sekunde, bis ihm der blanke Zorn aus diesen schönen Augen entgegenfunkelte.
    »Lassen Sie mich sofort gehen!«, schrie die Frau auf Englisch.
    »Ich will Ihnen doch nur helfen. Sie lagen ohnmächtig auf der Straße …«
    »Sie gehören gewiss zu der Bande. Geben Sie mir Ihre Hand!«
    Tom tat, wie sie verlangte. Sie ergriff seine Hand und ließ sich von ihm beim Aufstehen helfen. Einen Augenblick blieb sie stehen und blickte wütend in die johlende Menge.
    »Ungehobelte Pakeha«, zischte sie verächtlich. »Mein Vater hat schon recht.« Dann strich sie ihren Rock so glatt, wie sie konnte, und bahnte sich einen Weg durch die Menge.
    »Hol sie dir!«, feuerte einer der Kerle Tom an. Die anderen fielen in den Schlachtruf ein. »Hol sie dir!«, brüllte es aus einem Dutzend Kehlen.
    Es war allerdings nicht dieser primitive Ruf des Pöbels, der Tom dazu veranlasste, der Fremden zu folgen, sondern sein Bedürfnis nach Gerechtigkeit. Er war sich nämlich keiner Schuld bewusst und sah es nicht ein, dass sie ihn straflos als Mitglied einer Bande beschimpfen durfte. Sie aber war losgerannt, kaum dass sie die grölenden Männer hinter sich gelassen hatte. Tom blieb nichts anderes übrig, als ebenfalls zu laufen.
    Es trennten sie nur noch knapp fünfzig Meter, als ein Reiter an ihm vorbeipreschte, neben der Frau anhielt und vom Pferd sprang. Er brüllte auf sie ein, aber Tom konnte nicht verstehen, was er sagte. Die Maori wehrte sich nach Kräften. Sie schrie, trat nach ihm und spuckte ihn an. Doch es nützte alles nichts. Der Hüne von einem Mann überwältigte sie schließlich. Er wollte sie in dem Augenblick, als Tom sie schwer atmend erreichte, wie einen Sack über den Rücken seines Gauls legen.
    »Lass sie sofort los!«, fuhr er den rothaarigen Kerl an.
    Der grinste zur Antwort dreckig. »Was ist denn in dich gefahren, Mann? Willst du eine Tracht Prügel?«
    Tom ballte die Fäuste. Seine Kräfte wurden oft unterschätzt.
    »Dann lass sie los und komm her!«
    Der Hüne sah etwas dümmlich drein. Damit hatte er nicht gerechnet. Achtlos warf er die junge Frau in den Staub.
    »Aus dir mache ich Hackfleisch!«, tönte er.
    Tom konnte dieser tönende Riese keine Angst einjagen, hatte er doch schon als blutjunger Bursche, während er in Hamburg auf sein Schiff gewartet hatte, so manchen illegalen Boxkampf im berüchtigten Hafenviertel der Stadt gewonnen. Und er konnte seine Gegner sehr gut einschätzen. Dieser Kerl wirkte zwar stark, war aber nicht viel mehr als ein unbeweglicher Fleischkloß.
    Bevor sie sich voreinander aufgebaut hatten, wollte ihm der Kerl schnell einen Kinnhaken versetzen, dem Tom allerdings geschickt auswich und zum Gegenschlag ausholte, der den Großkotz an der Oberlippe traf. Der hielt erschrocken inne und starrte Tom halb ängstlich halb bewundernd an.
    »Komm, Mann, wir wollen uns nicht um die kleine Nutte streiten. Wenn du sie haben willst, bitte! Aber du musst mir den Preis erstatten. Fünfzig Pund habe ich für das Weib bezahlt!«
    Toms Augen verengten sich zu gefährlichen Schlitzen.
    »Du wolltest sie dir kaufen?«
    Der Rothaarige war jetzt gar nicht mehr so großmäulig wie am Anfang.
    »Was bleibt mir anderes übrig?

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