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Die Maori-Prinzessin

Die Maori-Prinzessin

Titel: Die Maori-Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
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war das Einzige, das Lucie überhaupt den Mut zum Weiterleben gab, nachdem sie von all ihren Liebsten verlassen worden war. Lucie schwor sich in diesem Augenblick, dass sie ihr Enkelkind so lieben würde, wie sie einst das Baby geliebt hatte, das sie aus dem Waisenhaus gerettet hatte. Und sie betete, dass dieses Geschöpf ihre Liebe erwidern würde …
    Lucie musterte ihre Tochter durchdringend. Ihre Stimme war fest und klar. Die Tränen waren endgültig versiegt.
    »Mach, was du willst, Joanne. Ich kann nichts mehr für dich tun. Wenn Misses MacMurray die Mutter deines Herzens ist, dann geh nur. Lass dich nicht aufhalten. Ja, und ich finde es vernünftig von Bertram Thomas, dass er dich nicht mehr treffen möchte, ich hätte es ihm gar nicht zugetraut! Und nun geh endlich. Ich respektiere, dass ich niemals in den Genuss deiner Liebe kommen werde. Ich komme auch nicht zu deiner Hochzeit. Feiere mit den Pakeha.«
    Lucie trat zur Seite, um Joanne passieren zu lassen, doch die rührte sich nicht vom Fleck. Fassungslos starrte sie Lucie an.
    »Worauf wartest du?«, fragte Lucie. »Ich kämpfe nicht mehr um deine Gunst, mein Kind! Ich bin müde.«
    Joanne stutzte, dann rannen ihr Tränen die Wangen hinunter. »Ich weiß doch auch nicht, was mit mir los ist. Ich wollte seit jeher so sehr, dass du eine Pakeha bist, dass ich dich beinahe gehasst habe, aber jetzt?«
    Ehe sich Lucie versah, war ihr Joanne um den Hals gefallen. Das Schlimme daran war, dass diese Geste sie völlig kaltließ. Lucie lief ein eisiger Schauer den Rücken hinunter. Wie sehr sie sich das all die Jahre vergeblich gewünscht hatte, dass sie bei ihrer Tochter endlich auf Gegenliebe stoßen würde – und jetzt? Jetzt dachte sie nur noch an das Enkelkind. Und plötzlich gestand sie sich ein, dass ihr Joannes Charakter stets fremd geblieben war. Und dass Joanne die Schuld am Tod ihres geliebten Sohnes trug.
    Ihr fiel ein, wie sie sich nach Toms Beerdigung aufgeführt hatte. Wie eine Erbschleicherin. Sie hatte wie ein Geier in seinen Sachen gewühlt und schließlich triumphierend das Testament seiner Mutter, in dem sie ihm die Hälfte des Schmuckes vermachte, hervorgekramt. Lucies Einwand, man solle den Schmuck Toms Bruder in Badenheim lassen, statt ihn um den ganzen Erdball zu schicken, hatte Joanne mit den Worten: »Ich werde doch nicht auf mein Erbe verzichten!« vom Tisch gewischt. Selbst die Tatsache, dass ihr Vater zeitlebens stillschweigend auf dieses Erbe verzichtet hatte, hatte Joanne als gnadenlose Dummheit abgetan. Und nachdem Lucie sich geweigert hatte, den deutschen Verwandten einen Brief mit der Forderung zu schicken, den Schmuck umgehend zu versenden, hatte Joanne das eigenhändig erledigt. Sie war nicht davon abzubringen gewesen, dieses Erbe einzufordern.
    Das alles ging Lucie durch den Kopf, während Joanne sich an ihrer Brust ausweinte. Zu spät, stellte sie mitleidlos fest, wo sie vorher ihr ganzes Herz an dieses Menschenkind gehängt hatte, war nichts als Leere. Mechanisch tätschelte sie der jungen Frau übers Haar. Anmerken lassen würde sie sich den Wandel ihrer Gefühle mit Sicherheit nicht. Im Gegenteil, sie würde alles tun, was Joanne verlangte, damit sie ihr später ja nicht das Enkelkind vorenthalten würde.
    Nach einer halben Ewigkeit löste sich Joanne aus der Umarmung und blickte ihre Mutter aus den vom vielen Weinen verquollenen Augen an. »Ich bleibe bei dir. Du warst immer gut zu mir. Und es war gemein von mir, dich zu verdächtigen. Niemals würdest du den Mann, den ich liebe, dazu nötigen, auf mich zu verzichten«, seufzte Joanne entschuldigend.
    Lucie würde auch Jahre später nicht in der Lage sein, genau zu sagen, wie es hatte geschehen können, aber plötzlich standen die Worte im Raum. »Du hast recht. Ich habe dem jungen Mann beim Nachdenken ein wenig nachgeholfen. Und das, mein liebes Kind, war das Beste, was ich je für dich getan habe.«
    Joanne starrte Lucie fassungslos an.
    »Du hast ihn also doch erpresst? Du gibst es zu?«
    Lucie nickte.
    »Ja, ich habe ihm angedroht für den Fall, dass er dich weiterhin treffen sollte, es seinem Schwiegervater zu stecken und …«
    Lucie hatte den Satz noch nicht zu Ende gesprochen, als sie einen Schmerz auf der Wange verspürte. Sie brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, dass Joanne ihr eine Ohrfeige gegeben hatte.
    Lucie erstarrte innerlich. Es war nicht der körperliche Schmerz, der ihr wehtat, sondern die Furcht, dass sie sich durch ihr unnötiges Geständnis

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