Die Maori-Prinzessin
aufzugeben.«
»Aufzugeben? Heißt das, Bertram Thomas war dein Liebhaber?«, fragte Lucie mit gespielter Empörung.
»Ja, verdammt, und du hast ihm gesagt, er dürfe mich nicht mehr sehen!«
»Hat das etwa dein Liebhaber behauptet?«, fragte Lucie in spitzem Ton.
»Nein, er behauptet, es wäre vernünftiger, wenn wir uns trennten«, schnaubte Joanne. »Aber ich spüre doch, dass er es nicht wirklich möchte. Dazu hast du ihn gezwungen!«
»Vielleicht ist der junge Mann schlicht zur Vernunft gekommen«, erwiderte Lucie. »Und was willst du eigentlich? Ich denke, du wirst John Clarkes Frau. Du wolltest deinen Mann nicht etwa mit diesem Doktor betrügen?« Lucie musste sich sehr zusammenreißen, ihrer Tochter nicht an den Kopf zu werfen, für wie perfide sie es hielt, John Clarke Bertram Thomas’ Kind unterzujubeln. Dabei bin ich nicht besser, durchfuhr es sie eiskalt. Ich sorge quasi dafür, dass Joannes Plan ohne Komplikationen umgesetzt werden kann. Ihr schlechtes Gewissen meldete sich mit einer Heftigkeit, dass ihr übel wurde. Hatte sie nicht die verdammte Pflicht, ihre Tochter zu zwingen, John Clarke die Wahrheit zu sagen? Nein, und noch mal nein, ich will nicht, dass Bertram Thomas der Vater des Kindes ist, dachte Lucie entschlossen.
»Ich liebe Bertram aber!«
»Und wenn schon«, stieß Lucie abschätzig hervor. »Er ist verheiratet, und das wird er auch bleiben. Oder glaubst du, er würde alles aufgeben, was ihr Vater ihm finanziert hat, um dich zur Frau zu nehmen?«
Joanne ballte die Fäuste.
»Du gibst es also zu, dass du ihn erpresst hast?«
»Ich gebe gar nichts zu. Ich hätte nur nicht gedacht, dass der junge Mann so viel Verantwortungsgefühl besitzt, dich freizugeben.«
»Du kannst mir nichts vormachen. Ich weiß, dass du es warst! Und jetzt lass mich endlich vorbei! Ich wollte schon längst fort sein! Geh mir aus dem Weg!«
Lucie aber rührte sich nicht. »Wo willst du denn überhaupt hin?«, entfuhr es ihr wütend, bevor sie versöhnlicher hinzufügte: »Bitte, Liebes, bleib hier! Du kannst mich nicht alleinlassen. Es ist schlimm genug, dass Vater nicht mehr da ist … und Tommy!«
Lucies angriffslustige Stimmung schlug um. Sie kämpfte mit den Tränen, doch das kümmerte Joanne nicht im Geringsten.
»Ich gehe zu Rosalyn. Ihre Mutter ist damit einverstanden, dass ich bis zur Hochzeit bei ihnen wohne.«
»Kind, das kannst du mir nicht antun. Ich möchte doch alles mit dir vorbereiten. Das Kleid, das Fest …«
»Tut mir leid, das macht Misses MacMurray. Ich kann keine Minute mehr unter diesem Dach leben. Jetzt, wo Vater nicht mehr da ist und du Bertram dazu angestiftet hast, unsere Beziehung zu beenden!«
»Bitte tu das nicht. Du bist meine Tochter. Kannst du nicht verstehen, dass ich jetzt, wo ich alles verloren habe, das mir lieb und teuer ist, wenigstens dich behalten möchte?«
»Das interessiert mich nicht, du Erpresserin«, fauchte Joanne. »Und deshalb möchte ich auch nicht, dass du zur Hochzeit kommst. Womöglich fühlst du dich noch bemüßigt, John zu stecken, dass ich Bertram Thomas liebe.«
»Es ist alles gut. Ich komme nicht«, erwiderte Lucie mit belegter Stimme. »Aber willst du mir, deiner Mutter, nicht wenigstens die Wahrheit sagen? Warum möchtest du einen Mann heiraten, den du nicht liebst?«
»Weil der Richtige bereits verheiratet ist, wie du korrekt sagtest. Deshalb! Schließlich wünsche ich mir auch eine Familie und ein Haus, und das kann mir Bertram eben nicht geben«, erwiderte Joanne trotzig. »Aber jetzt hör auf, weiter so dumm zu fragen!«, fügte sie ärgerlich hinzu. »Ich möchte, dass auf meiner Hochzeit alles schön wird. Mister MacMurray führt mich zum Traualtar, und Misses MacMurray sucht mit mir das Hochzeitskleid aus.«
Plötzlich fiel alle Traurigkeit und Verzweiflung von Lucie ab. Die Erkenntnis kam über sie wie ein erfrischender Regenschauer im heißen Sommer. Sie hatte für dieses Mädchen alles getan, mehr war ihr nicht möglich. Ihre Idee, diesem unglücklichen Wesen ein behütetes Elternhaus zu bereiten, war gnadenlos gescheitert. Vielleicht wäre es der Augenblick, Joanne die Wahrheit zu sagen, dass sie nicht ihre Tochter war. Doch dazu fehlte Lucie der Mut. Außerdem fragte sie sich, was sie damit bezwecken wollte. Joanne eine Rechtfertigung dafür liefern, dass sie dieses Haus verließ? Nein, auf keinen Fall. Nachher würde Joanne Lucie auch noch den Kontakt zu ihrem Enkelkind verbieten, und die Aussicht auf dieses kleine Wesen
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