Die Marionette
soll, wenn er Unterstützung braucht«, fügte Mayer hinzu. Valerie ahnte, woran Mayer und Martinez dachten. Es gab immer wieder Pressevertreter, die sich auf eigene Faust in Ermittlungen einmischten, den Kontakt zu den Entführern suchten und dabei nicht selten selbst in Lebensgefahr gerieten und gerettet werden mussten.
Bislang hatten sie die Medien auf Abstand halten können. Katja hatte sich noch nicht wieder an die Presse gewandt. Die Entführung von Gerwin Bender, die mittlerweile drei Tage zurücklag, beherrschte nach wie vor die Medienwelt. Das Foto, das Katja von ihm gemacht hatte, hatte sämtliche Titelseiten der Zeitungen sowie die Nachrichten- und Sondersendungen im Fernsehen dominiert. Die Umstände seiner Entführung hatten nicht zuletzt auch eine Diskussion über das Für und Wider von Rüstungsexporten ausgelöst. Katjas Rücktrittsforderung des Verteidigungsministers war Thema zahlreicher politischer Runden, doch niemand ahnte etwas von ihrem tödlichen Ultimatum. Von den Bomben, die sie legte.
»Morgen ist Himmelfahrt«, sagte Schavan, und Valerie erinnerte sich bei seinen Worten an die Blumengirlanden, die überall bereits aufgehängt worden waren. Wie abgerissene Trauergebinde hatten sie über dem zerfetzten Fahrzeug und den toten Insassen geweht. Wie alle anderen Orte in der Umgebung, hatte sich auch die Altstadt von Calw für den Feiertag geschmückt, erwartete Fahrradausflügler und feierlustige Männergruppen, die rotgesichtig und mit Bollerwagen der Vatertagstradition folgten. Überall waren Frühschoppen geplant, Stadtfeste. In den überwiegend katholischen Gegenden des Nordschwarzwaldes würde es zudem die sogenannten Öschprozessionen durch die Feldflur geben, um den Segen für die Landwirtschaft zu erbitten.
Der Einsatzleiter der Landespolizei hatte dafür gesorgt, dass ein Plan über die zahlreichen Aktivitäten im Umkreis von hundert Kilometern aufgestellt worden war. »Wir sollten uns auf die wichtigsten Veranstaltungen konzentrieren«, schlug der bärtige Mann mit dem breiten badischen Dialekt vor.
Mayer nickte zustimmend. »Nach unseren bisherigen Erfahrungen wird Katja das Rampenlicht suchen.«
Gemeinsam blickten sie auf die Karte, die mit entsprechenden Kennzeichnungen versehen war. Der Einsatzleiter hob einige Orte und Städte hervor, fasste kurz zusammen, was dort geplant war. »Diese Veranstaltungen finden jedes Jahr statt, genau wie die Frühjahrs-Rennwoche in Baden-Baden.« Schließlich tippte er mit der Spitze seines Kugelschreibers auf eine etwa sechzig Kilometer südöstlich von Calw liegende Gemeinde. »Lediglich hier wird es ein ganz besonderes Fest geben. Selbst der Ministerpräsident wird erwartet. Teile der Altstadt und der Burganlagen werden mit dem morgigen Datum in das Weltkulturerbe der UNESCO aufgenommen. Hier erwarten wir auch die größte Medienpräsenz.«
»Hat Katja zu einem der Orte eine persönliche Beziehung?«, wandte sich Mayer an den Psychologen.
Lars Günther schüttelte den Kopf. »Sie ist nicht weit von hier aufgewachsen, auf der Schwäbischen Alb, aber zu dieser Region hatte sie keine Berührungspunkte, außer zu Calw als Standort für das KSK .« Er blinzelte in Richtung der Karte. »Bitte vergessen Sie bei Ihren Überlegungen nicht, dass Kriegstraumatisierte in der Regel größere Menschenansammlungen meiden.«
Mayer strich sich nachdenklich übers Kinn. »Katja hat bisher ausschließlich aus der Deckung heraus agiert«, stimmte er zu.
»Das hieße, dass sie wie bisher alles vorbereitet, um dann selbst möglichst weit weg zu sein«, resümierte der Einsatzleiter.
Bevor sich jemand weiter dazu äußern konnte, erhielten sie einen Anruf des Luftwaffenstützpunktes, von dem aus die Kampfjets für die Überwachung gestartet waren. Mayer nahm ihn entgegen. »Sie haben den Wagen gefunden«, informierte er sie gleich darauf. »Und zwar hier.« Er wies auf ein großes Waldstück etwa dreißig Kilometer westlich von Calw.
»Wo steht er?«, fragte Martinez.
»Nicht direkt am Waldrand«, stutzte Mayer und runzelte die Stirn. »Aber so auffällig, dass wir über ihn stolpern mussten.«
»Keine Spur von Bender oder Rittmer?«, wollte Schavan wissen.
»Absolut nichts. Sie sind wie vom Erdboden verschluckt«, sagte der Einsatzleiter. »Aber wir haben die Suche noch nicht abgebrochen.«
»Überprüfen Sie, ob es in der Region Einbrüche gegeben hat, ein Wagen als gestohlen gemeldet wurde …«
Sie würden Katja nicht finden. Dessen war Valerie
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