Die Marionette
vom Boden auf und steckte sie sich hinten in den Bund ihrer Hose. Seine Finger umschlossen den Türgriff. Sie machte einen Schritt auf ihn zu, achtete darauf, außerhalb seiner Reichweite zu bleiben. Gleichzeitig mit ihm öffnete sie die Tür und setzte sich hinter ihn auf die Rückbank. Drückte ihm den Lauf ihrer Waffe in den Nacken. »Fahr!«
Er ließ den Motor an, lenkte den Wagen aus der Parklücke und fuhr die Straße hinunter. In dieselbe Richtung, in die Valerie Weymann verschwunden war. Sie erreichten das Hotel in weniger als fünf Minuten. Auf ihr Geheiß fuhr er in die Tiefgarage und parkte neben dem Aufgang zum Fahrstuhl. Behutsam löste sie sich aus ihrer verkrampften Sitzhaltung und streckte ihre Beine.
Sie stiegen aus. Mayer bewegte sich vorsichtig. Sie ließ sich von seiner vermeintlichen Kooperationsbereitschaft nicht täuschen. Jede Faser ihres Körpers war gespannt.
»Du weißt, wo es hingeht«, sagte sie nur. Er ging auf den Fahrstuhl zu und drückte die Taste. Die Tür öffnete sich. Erneut presste sie Eric ihre Waffe in den Rücken. »Keine Tricks«, flüsterte sie, als ein weiteres Paar auf sie zugeeilt kam und mit ihnen zusammen in den Aufzug stieg. Die beiden nickten ihnen lächelnd zu und setzten ihre rasante Unterhaltung auf Italienisch fort. »Wenn du irgendetwas versuchst, erschieße ich auch die beiden, nicht nur dich«, warnte Katja.
Eric verzog keine Miene.
Erst als die Tür des Hotelzimmers hinter ihnen ins Schloss gefallen war, sah er sie an, und die Kälte in seinem Blick erschreckte selbst sie. »Was willst du von mir, Katja?«
Sie zwang sich zur Ruhe. Sie hatte die Waffe. Sie hatte die Kontrolle.
»Weißt du noch, wie wir früher über die Mitarbeiter des BND geredet haben, Eric?«
Er antwortete nicht.
»Wir haben ihnen nicht vertraut, weil sie nie ehrlich zu uns waren, weil sie uns benutzt haben, um ihre eigenen Ziele durchzusetzen.« Ihr Zeigefinger legte sich fester um den Hahn der Waffe. Sie spürte Mayers Anspannung. Er registrierte jede noch so kleine Bewegung von ihr. »Ich lasse mich von dir nicht benutzen, Eric. Wenn du dich nicht eingemischt hättest, wäre Milan Vieth noch am Leben.«
»Vielleicht wäre er das«, erwiderte Eric zu ihrer Überraschung. »Aber was hätte das geändert? Hätte es deine Kameraden wieder lebendig gemacht, Chris unversehrt?«
»Lass Chris da raus«, stieß sie hervor.
»Es geht hier um Politik, Katja«, fuhr er fort. »Wir sind nur Rädchen in diesem Getriebe, das auf so viele Weise weltweit ineinander verzahnt ist, dass es wohl kaum jemanden gibt, der all diese Verknüpfungen wirklich noch durchschaut.«
»Ich habe kein Verlangen danach, sie zu durchschauen oder zu verstehen. Ich will nur, dass die Menschen in diesem Land erfahren, was geschieht. In Afghanistan und anderswo in der Welt. Deutsche Soldaten kämpfen und sterben längst nicht mehr, um der Bevölkerung ein menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen, sondern um die verdammten Wirtschaftsinteressen dieses Landes zu schützen, und dann werden sie auch noch mit unseren eigenen Waffen getötet!«
»Es hat andere, größere als dich gegeben, die das Aussprechen dieser Wahrheit schon zu Fall gebracht hat.«
Sie schnaubte verächtlich. »Hast du in den vergangenen Tagen keine Zeitungen gelesen? Sie sind voll mit der sogenannten Larenz-Krise, mit illegalen Waffengeschäften und endlich auch einmal mit Bildern von unseren Soldaten, die …«
»Wie lange, glaubst du, bleibt das Interesse bestehen?«, fiel er ihr ins Wort. »Der nächste Skandal lauert doch bereits hinter der nächsten Ecke, und selbst wenn er noch so banal sein sollte, werden die Medien ihn hochkochen, und kein Mensch spricht mehr über Afghanistan. Alles, was geschehen ist, wird genauso schnell wieder aus dem Bewusstsein der Bevölkerung verschwunden sein, wie es dorthin gekommen ist. Nämlich über Nacht.«
»Dann muss eben jemand dafür sorgen, dass es im Bewusstsein bleibt«, sagte sie.
***
Hamburg, Deutschland
Ohne Katja aus den Augen zu lassen, sah Eric Mayer sich unauffällig in seinem Hotelzimmer um. Sein Koffer stand unausgepackt in der Ecke. Sein Laptop mit allen wichtigen Daten war im Safe des Zimmers verborgen. Er fragte sich, wie sie so schnell herausgefunden hatte, wo er untergebracht war. Anscheinend war sie noch immer gut vernetzt.
»Für wen arbeitest du?« Er hatte ihr diese Frage schon einmal gestellt.
Sie maß ihn kühl, und er sah deutlich die Spuren von Müdigkeit und Anspannung in
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