Die Marionette
ihrem Gesicht. Das leichte Zittern ihrer Hände, mit denen sie den Revolver fest umschlossen auf ihn gerichtet hielt. »Ich habe dir vertraut, als ich dir die Projektile gezeigt habe«, sagte sie. »Aber du gehörst längst zu ihnen. Ich hätte es wissen müssen.«
»Wir machen alle unseren Job, Katja. Jeder auf seine Weise.«
Er trat einen Schritt auf sie zu.
»Bleib stehen, Eric«, warnte sie.
Ein weiterer Schritt.
Der Schuss schlug knapp neben seinen Füßen im Boden ein. Der Schalldämpfer verschluckte beinahe jedes Geräusch. Teppichfetzen flogen auf. Ein zweiter Schuss folgte unmittelbar. Mayer hob abwehrend die Hände. »Okay«, sagte er leise. »Ganz ruhig.«
Katja atmete schnell, den Lauf der Pistole auf seine Körpermitte gerichtet. Noch einmal würde sie nicht danebenschießen, das versprach ihr Blick.
Mayer überlegte nicht lange, deutete einen weiteren Schritt an, ließ sich jedoch zu Boden fallen und hechtete nach Katjas Beinen. Der Schuss ging nur Zentimeter über ihn hinweg. Das große Fenster hinter ihm zerbarst mit einem Krachen, was Katja genau für den Augenblick paralysierte, den er brauchte, um sie zu überwältigen. Mit einer einzigen schnellen Bewegung entriss er ihr den Revolver und sicherte ihn. Katja wich zurück, ihr ungläubiger Blick flog von der Waffe zu ihm.
Im Hotel wurde ein Alarm ausgelöst, gleich darauf hörte er Schritte auf dem Flur. »Es ist alles in Ordnung«, versicherte Mayer, als er die Tür öffnete und in das Gesicht eines Sicherheitsmitarbeiters des Hotels blickte. Er hielt dem Mann seinen Dienstausweis unter die Nase, während dieser versuchte, an ihm vorbei einen Blick in das Zimmer zu werfen.
»Es ist alles in Ordnung«, wiederholte Mayer ruhig. »Sie können wieder gehen.«
Der Sicherheitsmitarbeiter maß ihn von oben bis unten, nickte schließlich und trat einen Schritt zurück. Er würde die Polizei rufen. Das war Mayer klar, als er die Tür fest ins Schloss drückte. Katja saß zusammengekauert an der Wand, den Kopf in den Händen verborgen. Er hockte sich vor sie, zwang sie, ihn anzusehen. »Wir müssen reden«, sagte er. »Aber nicht hier. In welchem Hotel wohnst du?«
»Im Elysee«, murmelte sie.
Es war ganz in der Nähe. Er stand auf und reichte ihr eine Hand. Zögernd griff sie danach. Sie zitterte am ganzen Körper. Mayer nahm seinen Laptop aus dem Safe und sein Gepäck. »Los, verschwinden wir.«
Als sie im Auto saßen, rief er Wetzel an, der noch im Polizeipräsidium war. »Es wird ein paar Fragen geben, zu einem Vorfall in meinem Hotelzimmer.« Mit wenigen Worten setzte er seinen jüngeren Kollegen darüber ins Bild, was geschehen war. »Kümmern Sie sich bitte darum und übernehmen Sie die Kosten. Ich will kein Aufsehen. Wenn es Probleme gibt, erreichen Sie mich übers Handy.«
Wie ein Schlafwandler schritt Katja vor ihm den Hotelflur des Elysee hinunter und steckte schließlich ihre Karte in das Lesegerät an ihrer Zimmertür. Sie drückte die Tür auf und trat vor ihm in den dunklen Raum. Als Mayer das Licht einschalten wollte, blieb es dunkel.
»Ich habe die Glühbirnen rausgedreht«, erklärte sie.
Mayer stellte sein Gepäck ab. Sie stand am Fenster und spähte durch den Vorhang auf die Straße. Vorsichtig legte er seine Hand auf ihre Schulter. Ihr Körper spannte sich bei der Berührung reflexartig an. »Seit wann geht das schon so, Katja?«
Sie wandte sich um, ihre Blicke begegneten sich im Halbdunkel. Sie schluckte. »Ich hätte dich fast getötet«, sagte sie leise. »Das wollte ich nicht.« Tränen flossen über ihre Wangen. Sie rang um Fassung.
»Wie lange schon, Katja?«, wiederholte er seine Frage.
Sie fuhr sich mit der Hand über die Augen. Eine fahrige, unsichere Geste. »Ich weiß es nicht.«
Sie war völlig übermüdet. Ihr Anblick schmerzte ihn, denn er erkannte die Symptome: Aggression, Paranoia, Schlaflosigkeit.
»Du brauchst Hilfe«, stellte er fest. »Die Bundeswehr hat ein neues Trauma-Therapiezentrum in Berlin eingerichtet. Die Psychologen dort …« Er beendete den Satz nicht, da er merkte, dass sie ihm nicht zuhörte.
Die roten Leuchtziffern auf dem Wecker auf ihrem Nachttisch zeigten 23:56 Uhr. In gut achtzehn Stunden würde er wieder auf dem Weg nach Kabul sein. Zusammen mit Gerwin Bender. Zu wenig Zeit, um etwas zu tun. Es holte ihn immer wieder ein.
Er legte einen Arm um sie, führte sie vom Fenster weg. »Du solltest ein paar Stunden schlafen.«
Sie sah ihn an. »Bleibst du hier?«
Katja war
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