Die Marionette
Vieth hatte in dieser Hinsicht bereits einiges in die Wege geleitet in den vergangenen Monaten. Hatte hinter den Kulissen unzählige Gespräche geführt. Darauf aufbauend, hoffte Bender, sich bei dem aktuellen Besuch selbst ein Bild machen und die Verhandlungen vorantreiben zu können.
Er blickte auf Vombrook, der ihm gegenübersaß, das
Handelsblatt
auf den Knien, den Blick aus dem Fenster gerichtet, wo Wolkenberge das Licht des frühen Morgens widerspiegelten. Es war nicht leicht gewesen, Andreas dazu zu überreden, ihn zu begleiten. Der Justiziar war kein Mann fürs große Abenteuer und Afghanistan ein wildes Schreckgespenst für ihn. Es gab jedoch ein Kabul, das Vombrooks Vorstellungen vom Leben in einer zivilisierten Welt sehr nahekam, ein reiches Kabul, das im Aufbruch begriffen war und jenseits der Basare und staubigen Straßen, der Stammesfehden und Militärlager Brücken in die alte Welt suchte und somit Anschluss an die Zukunft. Das war der Schnittpunkt, an dem sie ansetzen mussten. Er war sich sicher, dass Vombrook mit seiner konservativen Art durchaus der richtige Mann dafür war.
Plötzliches Gelächter riss Bender aus seinen Gedanken. Es kam aus dem hinteren Teil der Maschine, dort, wo die Gruppe ausgewählter Journalisten saß, die sie auf der Reise begleiteten. Als Bender sich unauffällig reckte, um zu sehen, was der Grund für die spontane Erheiterung war, begegnete er Eric Mayers Blick, der seinen Platz nur wenige Reihen hinter ihm hatte. Bender zwang sich zu einem flüchtigen Lächeln, das ebenso sparsam erwidert wurde. Er hatte nicht gewusst, dass Mayer als oberster Sicherheitsbeamter die Reise begleiten würde. Es hatte Bender maßlos geärgert, dass all seine Kontakte diesbezüglich versagt hatten. Niemand hatte ihn gewarnt, dass der BND -Mann mit von der Partie sein würde. Diese Personalentscheidung musste sehr kurzfristig gefallen sein. Dank seiner langjährigen guten Beziehungen in die Politik war es Bender gelungen, einiges über Mayer zu erfahren, während dieser die Untersuchung gegen die Larenz-Werke in Hamburg leitete. Er war ein Spezialist beim Bundesnachrichtendienst und stand nicht, wie angenommen, im Dienst des Wirtschaftsministeriums. Der Mann war zu hochkarätig, um lediglich die Sicherheit ihrer Delegation zu gewährleisten. Er besaß langjährige Auslandserfahrungen, insbesondere auch in Afghanistan. Mayers Anwesenheit verhieß nichts Gutes, und Bender war lange genug im Geschäft, um zu wissen, dass er trotz oder gerade aufgrund seiner Position als Vorstandsvorsitzender der Larenz-Werke das Ziel einer ausgeklügelten politischen Intrige sein könnte.
Die Lautsprecher knackten, der Kapitän wies darauf hin, dass sie ihre Flughöhe verlassen hatten und in den Landeanflug übergingen. Die Nachricht löste Bewegung unter den Passagieren aus. Vombrook war nicht der Einzige an Bord, der das Land zum ersten Mal besuchte. Der Justiziar faltete seine Zeitung zusammen und legte sie auf den freien Platz neben sich, sah angespannt aus dem Fenster und nestelte an seinem Sicherheitsgurt. Keine zehn Minuten später setzte die Maschine auf. Militärfahrzeuge warteten am Flughafengebäude. Soldaten warfen lange, schmale Schatten auf den heißen Asphalt. Das Erste, was Bender wahrnahm, als er auf die Gangway hinaustrat, war ein Lichtblitz irgendwo über der Stadt, gefolgt von dem entfernten Donner einer Explosion.
***
Kabul, Afghanistan
Don Martinez rückte seine Sonnenbrille zurecht, als er aus dem Geländewagen stieg. Der Kabul International Airport erhob sich vor ihm in einen wolkenlosen Himmel. Die Betonstreben in der Glasfassade leuchteten weiß und hellblau in der Sonne und täuschten zusammen mit einer staubigen Palme einen Hauch nicht vorhandener südländischer Leichtigkeit vor. Vor ein paar Tagen erst war auf der Straße zum Flughafen eine Autobombe explodiert und hatte fünf Menschen in den Tod gerissen. Das ausgebrannte Wrack lag noch am Straßenrand. Martinez passierte die Kontrollen im militärischen Teil des Flughafens und schritt zügig durch das Terminal. Drei Flugzeuge standen in Parkposition, ein viertes landete soeben auf der hinteren Bahn. Martinez beobachtete, wie die Boeing 737 auf einen freien Platz hinter dem Gebäude rollte und schließlich zum Stehen kam. Flughafenmitarbeiter schoben eine Gangway an die Tür. Eingerahmt von zwei Bodyguards, die mit wachem Blick die Umgebung scannten, stieg der Mann die Treppe hinunter, für den Martinez eigens aus dem Jemen
Weitere Kostenlose Bücher