Die Marionette
sich legen.«
»Die Rede war von einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss.«
»Ich habe davon gehört, aber glaub mir, Andreas, jeder in Berlin will das Thema Afghanistan momentan lieber unter den Teppich kehren. Letztlich ist es auch für die Opposition ein viel zu heißes Eisen. Haben sie diesen Einsatz bislang nicht auch lautstark für gut und notwendig befunden? Und jetzt müssen
alle
eingestehen, dass er tatsächlich ein Desaster ist.«
»War er das nicht schon immer?«, erwiderte Vombrook spöttisch.
»Natürlich, aber das war in der Öffentlichkeit nicht in dem Maß bekannt.«
»Ich hatte in Hamburg Gelegenheit, mit Mayer darüber zu sprechen«, sagte Vombrook zu Benders Überraschung. »Über seine Einschätzung der Situation.« Sie hatten jetzt ihren Konferenzraum erreicht. »Mayer war erstaunlich offen«, fuhr Vombrook fort. »Er verurteilt den Einsatz schon seit Jahren, sagt, die Bundeswehr sei als Armee einer solchen Herausforderung nicht gewachsen, was sich ja auch in der Einschätzung der Amerikaner widerspiegelt.« Er öffnete seine Aktentasche, zog die vorbereiteten Unterlagen heraus und bat einen Hotelangestellten, für Kaffee, Tee und kalte Getränke zu sorgen. Effizienz und lange Erfahrung sprachen aus jeder seiner Bewegungen. »Was mich am meisten irritiert, ist die Tatsache, dass Mayer früher selbst Soldat war«, sagte er dann. »Ich kenne den Zusammenhalt innerhalb der Truppe. Die lassen ihre eigenen Leute nicht ins Messer laufen.« Vombrooks Tonfall ließ Bender aufhorchen. Bevor er jedoch antworten konnte, betraten ihre Gesprächspartner den Raum, und er war nicht böse darüber, dass die Unterhaltung mit dem Justiziar beendet war. Unauffällig betrachtete er den Mann, der nach außen so glatt und oft langweilig wirkte. Hatte er Vombrook unterschätzt? Und vor allem: Was hatte der Justiziar noch alles in Erfahrung gebracht? Bender lehnte sich vorsichtig auf seinem Stuhl zurück und versuchte das leise Ziehen in seiner Brust zu ignorieren.
***
Kabul, Afghanistan
Allmählich kam Eric Mayer zu sich. Eine Hand packte ihn an der Schulter, schüttelte ihn.
»Hey, wake up.«
Er blinzelte in das Licht, noch immer benommen. Sein Kopf schmerzte. Er fuhr sich mit der Zunge über seine trockenen Lippen, versuchte sich zu erinnern. Erst kam nichts, dann strömte eine Flut von Bildern so unkontrolliert auf ihn ein, dass er unwillkürlich aufstöhnte.
Ein Eindruck ließ ihn nicht los. Ein Hund mit kurzem Fell und hochgezogenen Lefzen auf einem Autowrack. Mayer schloss die Augen, um sich zu konzentrieren. Erneut griff jemand nach seiner Schulter, schüttelte ihn. Die Bewegung löste eine Welle der Übelkeit in ihm aus. Sein Kopf drohte zu explodieren. Er konzentrierte sich auf seine Atmung, atmete gegen den Schmerz, die Übelkeit.
»Verdammt, ich hab euch gesagt, ihr sollt ihn betäuben, nicht umbringen«, ertönte eine ungehaltene Stimme im harten amerikanischen Tonfall, der ihm wohlbekannt war.
Mühsam schlug er die Augen wieder auf.
Jemand beugte sich zu ihm herab. Setzte ein Glas an seinen Mund. Er versuchte zu schlucken. »Mayer, los komm«, hörte er die Stimme wieder. Noch ein Schluck. Eine Hand stützte seinen Kopf. Wieder spürte er das Glas an seinen Lippen. Diesmal gelang es ihm, es ganz leer zu trinken. Langsam klärte sich seine Sicht, und er blickte in das kantige Gesicht von Don Martinez. »Bist du ansprechbar?«, fragte der Amerikaner.
Mayer nickte vorsichtig. Er richtete sich auf dem Stuhl auf, an den sie ihn gefesselt hatten. Der Bilderreigen in seinem Kopf verlangsamte sein Tempo. Verlor sich. Zurück blieb Farouk bin Abdul. Das Taxi. Der Hund. Zwei schwarze Geländewagen.
»Was ist hier los, Don?«, stieß Mayer mühsam hervor. Er klang, als hätte er zu viel getrunken.
Martinez antwortete nicht, fixierte ihn nur aus seinen dunklen Latino-Augen, dann wandte er sich ab. »Lasst uns allein«, sagte er zu jemandem außerhalb von Mayers Blickfeld. Es gab einen hastigen Wortwechsel, dem Mayer in seiner Benommenheit nicht folgen konnte.
»Get out«,
befahl der CIA -Mann und betonte dabei jede Silbe so deutlich, dass jeglicher Widerspruch zwecklos war.
Gleich darauf saß Martinez rittlings auf einem Stuhl vor ihm. »Es heißt, dass du den Senator getötet hast, dass du die Seiten gewechselt hast, Mayer.« Er war plötzlich die Ruhe selbst. Mayer kannte ihn gut genug, um zu begreifen, wie gefährlich die Situation war, in der er sich befand.
***
Hamburg,
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