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Die Marionette

Die Marionette

Titel: Die Marionette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berg
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Nähe von Kassel geortet, etwa zweihundertfünfzig Kilometer nördlich des Klosters am Rhein, wo die Beisetzung für die Soldaten hatte stattfinden sollen. Sie hatten die ganze Gegend abgesucht, aber vergeblich. Wohin war Katja geflüchtet? Er nahm an, dass sie zunächst in einer Großstadt untertauchen würde. Hamburg? Berlin? Oder orientierte sie sich nach Süden? Frankfurt war naheliegend. Köln. Inzwischen war auch die Botschaft der USA involviert, mit deren Fahrzeug Katja auf der Flucht war. Aber angesichts des brisanten politischen Hintergrunds kooperierten die Amerikaner nur sehr zögerlich. Wetzel hatte recht. Sie durften nicht auf Katjas nächsten Schritt warten. Sie mussten handeln.
    »Wir könnten eine Spur legen, die ins Wirtschaftsministerium führt, ohne jedoch den Mann preiszugeben, der mit Bender zusammengearbeitet hat«, schlug Mayer vor. »So könnten wir Katja aus ihrer Deckung herauslocken.«
    Wetzel nickte nachdenklich. »Damit wären wir so dicht an der Wahrheit, dass sie, selbst wenn sie über sehr gute Quellen verfügt, kaum auf eine Falle tippen würde.«
    »Und wenn sie in der Zwischenzeit noch einmal zuschlägt?«, gab Schavan zu bedenken.
    Zwei Psychologen saßen in der Runde, von denen sich der eine jetzt zu Wort meldete. »Ich habe in den vergangenen zwei Tagen ihre gesamte Akte gelesen. Ich glaube nicht, dass sie das Leben Unschuldiger riskiert. Das entspricht nicht ihrem Persönlichkeitsprofil.«
    Mayer betrachtete den großen, rotblonden Mann aufmerksam. »Sie haben sicher auch gelesen, dass Katja Rittmer unter einem posttraumatischen Belastungssyndrom leidet.«
    Der Mann schob seine Brille zurecht. »Sicher, das ging zweifelsfrei aus ihren Akten hervor.«
    Mayer nickte. »Was stand über Somalia darin?«
    »Somalia?« Der Psychologe sah ihn fragend an. »Tut mir leid, aber …«
    Auch die anderen Anwesenden waren überrascht. Es wunderte Mayer nicht. Es gab Vorfälle, die sich außerhalb der Truppe in keiner Akte wiederfanden.
    »Was ist dort geschehen?«, fragte Schavan.
    Mayer setzte an, stockte dann aber, bevor er noch das erste Wort gesprochen hatte, als sich mit unerwarteter Macht die Bilder jenes afrikanischen Morgens vor ihm entrollten: ein Dorf im Landesinneren, eine unbefestigte Straße und ein alter Bus, von dem der matte weißgelbe Lack abblätterte. Ein unglaublich blauer Himmel. Die Farben leuchteten so viel intensiver in Afrika. Er erinnerte sich an das staubige Orange der Marktschirme, die bunten Tücher der Frauen und die hellen Hemden der Männer. Das schnelle Auf und Ab ihrer Stimmen und den Geruch der Kochfeuer. Bis hierhin waren es gute Erinnerungen.
    Er blickte in die erwartungsvollen Gesichter seiner Zuhörer. »Kindersoldaten«, sagte er. »Hat einer von Ihnen jemals gegen Kindersoldaten gekämpft?«
    Ein Räuspern ging durch den Raum, dem eine tiefe, unangenehme Stille folgte.
    ***
    Hamburg, Deutschland
    Katja beobachtete das Haus, das im Dunkeln hinter der halbhohen Hecke verborgen lag. Ein schmaler Lichtstreifen fiel zwischen den zugezogenen Vorhängen des Wohnzimmerfensters heraus und ließ die Feuchtigkeit in der Luft glitzern. Seit über einer Stunde verharrte Katja reglos im Wagen und überwachte die Umgebung. Trotz des einen Spaltbreit geöffneten Fensters beschlugen allmählich die Scheiben, und sie musste sich jetzt entscheiden. Es war ein Wagnis gewesen, herzufahren. Aber nur hier kam sie an die Informationen, die sie brauchte, um ihren Rachefeldzug zu beenden. Sie ignorierte die feuchte Kälte, die in ihre Glieder kroch. Die Müdigkeit. Seit dem Attentat waren sechsunddreißig Stunden vergangen, in denen sie kaum geschlafen hatte. Sie war ständig in Bewegung. Tag und Nacht. Nur deswegen war sie überhaupt noch auf freiem Fuß. Sie waren ihr dicht auf den Fersen gewesen, und für einen kurzen Moment war sie schwach geworden und hätte beinahe Erics Drängen nachgegeben und ihn angerufen. Dreimal hatte sie die Nachricht auf ihrer Mailbox abgehört, nur um dem Klang seiner Stimme zu lauschen, für einen flüchtigen Moment Wärme zu spüren. Licht. Aber sie war der Versuchung nicht erlegen. Sie hatte eine Aufgabe zu erfüllen. Alles andere musste dahinter zurückstehen.
    Sie schob ihren Revolver in den rückwärtigen Bund ihrer Hose und klappte den Kragen ihrer alten Armeejacke hoch. Der Regen schlug ihr ins Gesicht, als sie aus dem Wagen stieg. Mit hochgezogenen Schultern hastete sie über die Straße auf den unbeleuchteten Hauseingang zu. Öffnete

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