Die Marionette
die Frage, wie es der BND -Mann geschafft hatte, unerkannt nach Deutschland zurückzukehren. Aber entscheidender war, herauszufinden,
warum
er hier war, warum er sich dem Risiko einer Rückkehr aussetzte.
»Wie ist die Stimmung in Berlin?«, hatte Meisenberg wissen wollen.
»Es steht hier nicht unbedingt der Wunsch nach Aufklärung im Raum«, war Benders Antwort gewesen, was ein leises, aber doch hörbares Aufatmen Meisenbergs nach sich gezogen hatte.
»Mit ein bisschen Glück spielt die Zeit für uns«, hatte der Anwalt daraufhin bemerkt, der viel besser noch als Bender mit den Feinheiten der Politik vertraut war.
Bender warf einen Blick auf seine Uhr. Er wartete jetzt eine dreiviertel Stunde. Es dauerte noch weitere fünfzehn Minuten, bis sich die Tür des Ministerbüros endlich öffnete. Der Minister trat heraus, und Bender stand auf. Seine Finger tasteten intuitiv nach dem geöffneten Knopf seines Sakkos, um ihn wieder zu schließen. Es war eine Bewegung, die sich längst verselbständigt hatte, sicher, ohne ihr einen Gedanken oder Blick zu schenken. Doch diesmal griffen seine Finger ins Leere, als er den Mann erblickte, der hinter dem Minister das Büro verließ.
Eric Mayer ist auf dem Weg nach Berlin.
Bender begriff, dass seine fünfminütige Verspätung ihn weitaus mehr kosten würde als die Zeit, die er mit Warten vergeudet hatte. Mayer sah mitgenommen aus: blass, angespannt, aber keineswegs überrascht, dem Vorstandsvorsitzenden der Larenz-Werke hier in diesen Räumen zu begegnen.
Mayer war nicht allein. »Frau Weymann«, begrüßte Bender die Frau an Mayers Seite. »Was für eine angenehme Überraschung, Sie hier im Wirtschaftsministerium zu treffen.«
Sie lächelte, nahm seine ausgestreckte Hand. Ihr Händedruck war fest. »Herr Bender. Ich freue mich.« Es war gelogen, er sah es in ihren Augen, die das Lächeln ihres Mundes keineswegs widerspiegelten. Sie hatte ihr Mandat für die Larenz-Werke niedergelegt, das hatte Vombrook ihm vor wenigen Stunden erst per SMS mitgeteilt. Natürlich war sie informiert, warum sonst wäre sie jetzt hier? Wusste Meisenberg davon? Und die alles entscheidende Frage: Wie hatten sie die Verbindung zum Wirtschaftsministerium gefunden? Wer außer Meisenberg wusste davon? All diese Gedanken gingen Bender durch den Kopf, als er sich Eric Mayer zuwandte und ihn kurz und förmlich begrüßte, wobei er sehr darauf achtete, dass seine Mimik nichts von dem Aufruhr in seinem Inneren preisgab. Dann erst bemerkte er, dass noch ein weiterer Besucher im Raum war, und wäre beinahe zusammengezuckt, als er Paul Clarke erkannte. Aber auch Clarke ließ sich sein Unbehagen über diese Begegnung nicht anmerken. Sie vermieden beide einen längeren Blickkontakt und nickten einander nur kurz zu, als der Minister sie vorstellte.
Bender beobachtete, wie dieser seine Besucher schließlich verabschiedete. Sie waren nicht wirklich enge Vertraute, aber er war doch ein Mann, mit dem Bender einiges an Weg gemeinsam zurückgelegt hatte. Als sie allein waren, strich sich der Minister mit der Hand durch sein schütteres Haar und lachte bitter auf. »Ich fürchte, das Beste ist wohl, über einen Rücktritt nachzudenken. Ich hatte immer gehofft, dass mir das erspart bleiben würde.«
Bender witterte plötzlich den Hauch einer Chance, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.
***
Berlin, Deutschland
»Wir müssen Gerwin Bender unter Personenschutz stellen«, sagte Eric Mayer in die Runde. »Wenn Katja Rittmer erfährt, dass er die treibende Kraft hinter den Waffengeschäften ist, wird sie versuchen, ihn zu töten.«
Er begegnete Wetzels Blick über den Konferenztisch hinweg. Sein Kollege hatte in der Zwischenzeit ganze Arbeit geleistet, während er selbst stillgelegt gewesen war. Es gab eine perfekte Dokumentation der bisherigen Ermittlungen, eine klare Übersicht der getroffenen Maßnahmen. Schon während der Fahrt nach Berlin hatten sie ausführlich miteinander telefoniert, und Mayer hatte ein entsprechendes Briefing erhalten, so dass er mehr oder weniger sofort in die Runde einsteigen konnte, nachdem auch die letzte Hürde – ein Gespräch mit seinem Vorgesetzten und dem Leiter des Bundeskanzleramtes – überwunden war. »Dass es Ihnen gelungen ist, die Verbindung ins Wirtschaftsministerium aufzudecken, ist einerseits genau das, was wir brauchen, um Ihnen die nötige Rückendeckung zu geben, andererseits gibt es hier im Haus einen klaren Konsens, das Thema so lautlos wie möglich zu beenden. Wir
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