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Die Marionette

Die Marionette

Titel: Die Marionette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berg
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verlassen war. In einigen Wohnungen brannte Licht, doch durch die Bäume hindurch würde niemand sehen können, was unten geschah.
    Bender war schwer. Er war schlank, aber ziemlich groß. Als sie seinen schlaffen Körper aus dem Wagen zog, verklemmte sich zudem sein Fuß unter dem Vordersitz. Das Abendkleid behinderte sie in ihrer Bewegungsfreiheit. Mit einem einzigen Handgriff riss sie eine der Seitennähte auf. Keine drei Minuten später lag Bender im Kofferraum des Geländewagens, den sie nur wenige Meter entfernt bereits am Nachmittag hier abgestellt hatte. Sie fixierte seine Füße, bevor sie die Tür schloss, kletterte auf den Fahrersitz und startete den Motor. Behutsam bugsierte sie das große Fahrzeug aus der Parklücke heraus und fuhr Richtung Autobahn. Auf dem Beifahrersitz lag ein Pullover, den sie während der Fahrt über ihr tief dekolletiertes Abendkleid zog. Als Nächstes nahm sie die Perücke vom Kopf und fuhr sich durch ihre blonden Locken. Vor ihr tauchten die Röhren des Elbtunnels auf. Aus dem Kofferraum hörte sie ein ersticktes Stöhnen. Sie nahm eine Zigarette aus dem Päckchen zwischen den Sitzen, schaltete das Radio an und suchte einen Nachrichtensender.
    ***
    Hamburg, Deutschland
    Die Nachricht, dass etwas geschehen war, sickerte in den Festsaal wie Wasser, das sich einen Weg durch einen Damm bahnte. Zunächst war es nur ein Rinnsal, ein Wispern, Bruchstücke von Information, die in den Raum tröpfelten. Doch dann, so plötzlich wie der Damm unter der Gewalt des Wassers birst, kippte die Stimmung. Die Musik verebbte. Der Leiter eines der wichtigsten Medienhäuser der Stadt trat auf die Bühne. Er war durchaus gewohnt, vor Menschen zu sprechen, doch angesichts der Ungeheuerlichkeit der Situation rang er nach den richtigen Worten.
    Valerie bekam nur Bruchstücke von seiner Ansprache mit. Zusammen mit den Vombrooks, Meisenberg und Marc war sie in einem Nebenraum, wo Juliane mit starrem Gesicht auf einer Couch saß, ein zerknülltes Papiertaschentuch in ihren Händen, einen Beamten des Landeskriminalamtes neben sich. »Wir tun alles, um Ihren Mann schnellstmöglich aus der Gewalt dieser Frau zu befreien«, sagte er, und Valerie bemerkte die Spannung, die sich bei diesen Worten in Marc aufbaute. Vorsichtig tastete sie nach seiner Hand, spürte, wie er den Druck ihrer Finger erwiderte. Ihr Streit war vergessen, beiseitegeschoben. Meisenberg stand in der Tür und verfolgte schweigend das Geschehen. Er wusste, warum Katja Rittmer Gerwin Bender entführt hatte. Seine Miene ließ jedoch keine Rückschlüsse zu, was er empfand.
    Endlich waren alle Aussagen gemacht, alle Fragen beantwortet. Ein Psychologe war eingetroffen, der Juliane nach Hause begleiten sollte. Maria Vombrook würde ebenfalls mitfahren. Im Festsaal hatte die Musik wieder eingesetzt. Als Marc und Valerie den Raum durchschritten, herrschte noch eine verhaltene Stimmung, doch die ersten Paare tanzten bereits wieder, und Valerie war sicher, dass die Partylaune in der nächsten Stunde zurückkehren würde. Ihr war jedoch jede Lust an dem Ball vergangen.
    Im Foyer hatten die Beamten der Schutzpolizei inzwischen Unterstützung von Mitarbeitern des LKA bekommen. Ein Rettungswagen stand vor dem Portal. Zwei Sanitäter und ein Arzt kümmerten sich um den Portier, der sich doch einige Schnittverletzungen zugezogen hatte, und um eine Frau, die unter Schock stand. Auch hier wurden Aussagen aufgenommen. Zwei Hotelangestellte verteilten Kaffee und kalte Getränke. Der Eingangsbereich war abgesperrt. Mitarbeiter der Spurensicherung arbeiteten dort. Valerie blickte auf die zersplitterte Tür und hörte wieder den Schuss, das Klirren, erinnerte sich an die kühle Beherrschung in Katjas Augen und fragte sich, ob sie Gerwin Bender jemals lebend wiedersehen würde.
    ***
    Brandenburg, Deutschland
    Das Blut pochte in Benders Ohren, als er versuchte, zu schlucken, den Würgereiz zu unterdrücken, der in ihm aufstieg. Er zwang sich, ruhig und gleichmäßig zu atmen, die Panik zu ignorieren, die lauerte, nur darauf wartete, dass er die Kontrolle verlor. Wenn er sich übergab, würde er sterben.
    Der Wagen ruckelte über eine Unebenheit. Benders Kopf schlug gegen die Seitenwand des Kofferraums. Er biss die Zähne zusammen. Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Es schien ihm, als wären sie seit Ewigkeiten unterwegs. Er spürte seine Hände nicht mehr, und auch seine Füße waren längst taube Klumpen am Ende seiner Beine. Ein weiteres Schlagloch. Bender

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