Die Marionette
versuchte, seine Muskeln anzuspannen, sich abzufedern, aber es war hoffnungslos.
Endlich rollte der Wagen aus, blieb stehen. Der Motor wurde abgeschaltet. Die Fahrertür ging auf und wieder zu. Er hörte das Klacken der Fernbedienung, das Einrasten der Türschlösser, sich entfernende Schritte. Er hielt den Atem an, lauschte. Kein Zivilisationslärm, nicht das leiseste Geräusch aus der Natur. War das das Ende? Würde er kläglich in einem Kofferraum verrecken, verschnürt wie ein Paket? Mit letzter verbleibender Kraft hieb er seine gefühllosen Füße gegen die Karosserie. Einmal. Zweimal. Dreimal. Er hätte geschrien, wenn nicht breites Paketklebeband seinen Mund verschlossen hätte.
Die Hecktür sprang auf. Bender blinzelte in das Licht einer Taschenlampe. Eine Hand griff nach seinem Arm, zerrte ihn aus dem Wagen, auf den Boden. Es war noch immer Nacht. Oder schon wieder? Die Taschenlampe verlöschte, und er starrte in die Dunkelheit, aus der sich erst allmählich die Umrisse von Bäumen herauslösten. Dazwischen Himmel. Sterne. Seine Wange berührte altes Laub und Moos. Ein milder Windhauch strich darüber hinweg. Er trat mit den Füßen ins Leere und gab einen erstickten Laut von sich. Die Taschenlampe ging wieder an, ihr Licht glitt über sein Gesicht. Jemand beugte sich über ihn.
Sie.
Wer sonst. Er spürte ihren Atem, den Geruch von Zigaretten. Sie leuchtete in seine Augen, hielt seine Lider offen, als er sie zukneifen wollte, und das Licht brannte sich schmerzvoll in ihn hinein. Sie sagte nichts. Sah ihn nur an. Valerie Weymann hatte sie im Atlantic mit Namen angesprochen, und er hatte begriffen. Katja Rittmer. Die Soldatin, die auf den Verteidigungsminister geschossen hatte. Alle Hoffnung hatte ihn daraufhin verlassen.
Erneute Dunkelheit.
Das Laub raschelte, als sie aufstand, fortging.
Er versuchte, sich zu drehen, zu sehen, wohin sie verschwand, doch der Wagen versperrte ihm die Sicht. Er ließ den Kopf sinken und atmete den modrigen Geruch, der vom Waldboden aufstieg. Sie würde ihn nicht sterben lassen. Noch nicht. So viel hatte er verstanden.
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27. Mai
Berlin, Deutschland
S ie hatten den Taxifahrer.
»Wir installieren eine Videoschaltung, damit Sie die Vernehmung direkt mitverfolgen können.« Die Stimme des LKA -Beamten klang angespannt. Eric Mayer starrte auf den noch dunklen Schirm, fuhr sich mit den Fingern über die Augen.
»Wann haben Sie das letzte Mal geschlafen?«, fragte Jochen Schavan.
Mayer sah ihn an. »Keine Ahnung«, erwiderte er.
Ein Bild erschien auf dem Monitor. Mayer erkannte einen der Vernehmungsräume des Hamburger Polizeipräsidiums. Am Tisch saß ein Farbiger, der sich unsicher umblickte.
»Haben wir Ton?«, fragte Mayer.
Der Beamte des Hamburger LKA schob sich ins Bild, ein Mann mit millimeterkurzem Haar, der ihn entfernt an Martinez erinnerte. »Wir können Sie hören.«
»Wir Sie auch.« Mayer warf einen Blick auf seine Uhr. Sein amerikanischer Kollege musste jeden Moment eintreffen.
Schavan reichte Mayer wortlos einen Becher Kaffee und setzte sich neben ihn. Schweigend verfolgten sie die Aufnahme der Personalien.
»Ein Dolmetscher wäre nicht schlecht«, bemerkte Schavan.
»Ich kann das übernehmen, wenn es Probleme gibt«, sagte Mayer. Der Taxifahrer kam aus dem Senegal, mit Französisch würden sie vermutlich weiter kommen als mit Deutsch. Aber ihre Hoffnungen wurden enttäuscht. Weder in der einen noch der anderen Sprache konnte ihnen der Taxifahrer Informationen liefern, die sie bei der Suche nach Katja Rittmer und Gerwin Bender weiterbrachten. Mayer stand schließlich auf und schaltete die Übertragung ab. Zehn Stunden waren seit Benders Entführung vergangen, und es gab nicht den Hauch einer Spur. Keinen Anhaltspunkt. Und kein Wort von Katja.
»Benders Frau hat ausgesagt, dass ihr Mann unter Bluthochdruck leidet und auf Medikamente angewiesen ist«, bemerkte Schavan.
Mayer sah seinen grauhaarigen Kollegen vom BKA an. »Sie fragen sich, ob er noch lebt.«
Schavan nickte.
Die Tür ging auf, und Wetzel kam ins Büro. »Die Hamburger Kollegen haben etwas über den Wagen herausgefunden, mit dem Katja unterwegs ist.« Er warf einen Blick auf den Zettel, den er in der Hand hielt. »Es handelt sich nach Zeugenaussagen um einen dunkelgrauen oder schwarzen Geländewagen.«
Die Beamten des LKA hatten in der Straße, in der das Taxi gefunden worden war, die Anwohner befragt, ihnen ein Foto von Katja gezeigt, und tatsächlich hatte jemand sie
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