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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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funktioniert wieder«, erwiderte er. »Bei der nächsten Schlacht bin ich mit dabei.«
    »Danke«, der Oberst leerte das Glas, das Juliane ihm in die Hand gedrückt hatte, und fragte hoffnungsvoll: »Nicht ein einziger Krümel Tabak?« Er zog an seiner leeren Pfeife.
    Sie warf ihm einen leicht vorwurfsvollen Blick zu, holte dann aber ein kleines Bündel hervor.
    »Ich denke, das wird reichen«, sagte sie und dachte, hoffentlich nimmt er nicht zuviel. Sonst verdirbt er mir die Überraschung, wenn Johannes wiederkommt. Felix hatte ihr am Morgen ohne Worte den leeren Beutel überreicht und sie hatte ihn mit ihren letzten Tabakblättern gefüllt.
    »Johannes Gerter«, las der Oberst den Namenszug auf dem Lederbeutel.
    »Ich denke auch«, schmunzelte er und stopfte sich die Pfeife. Er hatte gerade das Streichholz entzündet, als eine gewaltige Explosion den Boden erschütterte. Entsetzt blickten die Württemberger zur Stadt hinunter und sahen eine riesige Flammensäule, aus der Feuerkugeln herausstoben, die unter fürchterlichem Krachen explodierten und glühende Brocken in großem Umkreis über die Stadt auswarfen.
    »Mein Gott«, stammelte Juliane nur immer wieder und der bleich gewordene Oberst brüllte außer sich: »Die Russen stecken die Stadt an! Das war ein Munitionsmagazin oder ein Pulverturm!«
    Seine Worte gingen im Schreien der Soldaten und im Krachen des grellen Feuerwerks unter. Rauchwolken verdunkelten die Sonne, in Minutenschnelle breiteten sich glühende Teppiche über die Stadt aus, züngelten Flammen aus unzähligen Feuerherden in die Höhe und färbten den Himmel über Moskau blutrot.
    Johannes, dachte Juliane entsetzt, Johannes ist da mitten im Flammenmeer!
    In Matthäus' starren Augen spiegelte sich die Feuersbrunst und seine Lippen bewegten sich lautlos. Jetzt ist alles vorbei, las Juliane von ihnen ab, das ist jetzt das Ende.
    Der Oberst, der immer noch das brennende Streichholz in der Hand hielt, stieß einen Schrei aus, als es seine Finger verbrannte. Er warf es in hohem Bogen von sich. Augenblicklich fing das trockene Gras Feuer.
    »So schnell geht das!« rief er und trat hastig die Flammen aus. Juliane hatte sich neben Matthäus hingeworfen, der sie fest in seine Arme schloß. Sie blickte mit sprachlosem Entsetzen zur Stadt, aus der immer neue Feuersäulen aufstiegen.
    »Und jetzt?« fragte Matthäus den Oberst. »Was passiert jetzt?«
    Der Oberst zog an seiner Pfeife und vermied es, Matthäus anzusehen. »Jetzt wird's wahrscheinlich keine Schlacht mehr geben«, sagte er grimmig. »Laßt uns nur hoffen, daß dies das letzte Aufflackern …«, er verzog das Gesicht zu einem leicht süffisanten Grinsen, »… das letzte Aufflackern der Zarenarmee war. Moskau mag zwar in Schutt und Asche liegen, aber Napoleon hat die Stadt eingenommen und damit ist der Krieg beendet. Der Zar wird sich ergeben, Rußland wird französisch, wir überwintern in den Trümmern von Moskau und gehen dann nach Hause, um auf den nächsten Auftrag zu warten. Es kann aber auch ganz anders kommen.«
    »Es wird ganz anders kommen!« fuhr Juliane auf. »Ihr werdet sehen, jetzt wird der Krieg erst richtig anfangen und ganz schnell mit einer Katastrophe für uns enden. Die Russen haben ihre Kräfte geschont und unsere Leute können sich kaum noch auf den Beinen halten …«
    »Julchen!« fuhr Matthäus sie an. Auch wenn sie keinen Eid geleistet hatte, so gehörte es sich doch nicht, daß seine Frau solche Dinge zu dem Obersten sagte. Auf dessen Gesicht zeigte sich der leise Anflug eines Lächelns.
    »Assenheimerin, Assenheimerin«, drohte er mit dem Zeigefinger. »Du hast doch nicht etwa das Erbe der alten Selma angetreten?«
    Bei der Nennung dieses Namens zuckte Juliane zusammen. Sie löste sich von Matthäus, ging zum Wagen und holte ihr Kopftuch. Nur weg hier, dachte sie, ich muß jetzt dringend handeln, irgendwas tun, sonst werde ich verrückt. Johannes, Johannes, lebst du noch? Oder liegst du schon bis zur Unkenntlichkeit verkohlt unter brennenden Trümmern? Werde ich dich je wiedersehen? Bist du verletzt, krümmst du dich vor Schmerzen wie so viele, die wir am Wegesrand gesehen haben? An denen wir mit abgewendetem Blick und verschlossenen Ohren vorbeigefahren sind? Früher konnte ich keinen Hund leiden sehen, und heute lasse ich Menschen, halbe Kinder noch, vor meinen Augen verhungern, obwohl ich doch etwas Nahrung gehortet habe.
    »Du willst doch nicht wirklich los?« fragte Matthäus entsetzt und als er ihr

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