Die Marketenderin
Spiegel krachte.
»Was geht hier vor!« rief sie laut und stemmte die Hände in die Hüften. Die illustre Runde verstummte.
Der illyrische Oberst stand auf und machte die Andeutung einer Verbeugung.
»Ein großer Tag, Madame«, sagte er auf deutsch, »wir haben auf ewige Freundschaft angestoßen und aus solchen Gläsern darf nicht noch einmal getrunken werden.«
Mißbilligend blicke Juliane auf den mit Glasscherben und Hühnerknochen übersäten Marmorboden.
»Meine Herren«, sagte sie, »ich werde jedem von Ihnen eine Amme besorgen müssen.«
Matthäus, der am Getränketisch die Cognacgläser anwärmte, sah erschrocken auf seine Assenheimerin, aber Oberst von Röder brach in schallendes Gelächter aus und forderte die Runde auf, die neuen Gläser zum Wohl der zauberhaften Bedienung zu heben und dann wieder brav auf den Tisch zu stellen.
Schon in der ersten Woche warf der Laden mehr ab, als sich Juliane je erträumt hatte. Das Brot war meistens schon nach der ersten halben Stunde ausverkauft, aber die alte Matka konnte nicht mehr als zwanzig Laibe pro Tag backen.
Da das Mehl auch langsam zur Neige ging, mußte sich Juliane Gedanken darüber machen, wo sie neues Getreide auftreiben konnte. Inzwischen war allgemein bekannt, daß russische Einheiten rund um Moskau nur darauf warteten, daß sich Angehörige der Großen Armee auf der Suche nach frischem Fleisch und Gemüse aus der Stadt wagten. Immer wieder wurden ganze Truppenteile überfallen. Fürst Kutusow selbst war mit dem russischen Hauptheer auf der Straße nach Kaluga bis zum Dorf Lietatewka gekommen und nahm dort zwischen den Flüssen Nara und Pottwa eine feste Stellung ein, um die südlichen Provinzen vor feindlichem Einfall zu schützen.
»Napoleon hat Murat, den König von Neapel, mit dem größten Teil seiner Reiterei und dem fünften Armeekorps losgeschickt, um die Bewegungen des Feindes genau zu beobachten«, informierte Gerter eines Abends Matthäus. »Und ein Teil unseres dritten Korps überwacht die Straße von Wladimir.«
Verzweifelt blickte Matthäus auf sein Bein. Die Verwundung war zwar relativ schnell geheilt und auch der gefürchtete Wundbrand hatte nicht eingesetzt, aber das Laufen bereitete ihm immer noch Beschwerden. Außerdem konnte er das Bein nicht richtig beugen und er begann sich Sorgen zu machen, ob es jemals wieder ordentlich funktionieren würde.
»Da sitze ich hier nutzlos in einem Palast herum, während meine Männer wieder arbeiten!« rief er verärgert.
»Du bist nicht nutzlos, sondern hältst mir Olga vom Hals«, erklärte Juliane, die auf einer Sesselkante saß und ein Kleid umänderte, das Johannes in einem Schrank gefunden und ihr gegeben hatte.
»Was ist eigentlich aus dem rostroten Blümchenstoff geworden?« fragte der Oberleutnant vorsichtig.
»Der bringt Unglück. Ich habe ihn Olga geschenkt.«
»Julianka!« rief der Korporal. »Sie hat sich über den Stoff gefreut und ich bin froh, daß wir ihr was für die Unterrichtsstunden geben können. Ich weiß auch gar nicht, was du gegen sie hast. Olga Michalowa …«
»Wie, sie heißt anders als ihr Mann?« fragte Juliane mißtrauisch.
Interessiert und leicht amüsiert folgte Johannes der kleinen Auseinandersetzung.
»Natürlich nicht.«
»Aber er heißt Fjodr Andrejewitsch, das weiß ich genau.«
»Er heißt Fjodr Andrejewitsch Michalow.«
»Vielleicht wundert er sich darüber, daß dich auch jeder Assenheimerin nennt, obwohl du eigentlich Frau Schreiber bist«, warf Johannes ein.
»Frau Schreiber ist meine Schwiegermutter«, entgegnete Juliane patzig und fragte: »Wo treibt sich Felix eigentlich wieder herum?«
»Schau ins Kutschhaus, dein Wagen ist weg«, bemerkte Johannes gelassen.
»Was?!«
»Er besorgt dir Mehl, damit die alte Matka wieder Brot backen kann.«
Juliane warf das Kleid auf den Boden und sprang auf.
»Das ist ja die Höhe! Ohne mich zu fragen! Und gerade sprecht ihr darüber, daß rund um Moskau die Russen im Gebüsch lauern und jedem die Kehle durchschneiden, der zu den Bauern geht! Was wird denn dann aus meinem Pferd und Wagen!?«
Sie sieht wirklich wundervoll aus, wenn sie sich aufregt, dachte Johannes. Dann ist sie nur noch Feuer – vor dem man sich fürchten muß, fiel ihm der Spruch seines Vaters ein.
Matthäus bewegten andere Gedanken.
»Julchen«, sagte er vorwurfsvoll, »denkst du denn gar nicht an Felix?«
»Warum sollte ich! Stiehlt meinen Wagen …«
»… ich habe mir erlaubt, ihn Felix anzubieten.«
Gespannt
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