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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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seine Untertanen nicht, was sie wollen und entscheidet dann, was die Mehrheit von ihnen will!«
    »Was ist Mehrheit? Mehrheit ist der Unsinn, Verstand ist stets bei wenigen nur gewesen«, konnte sich Johannes nicht enthalten noch einen Satz aus dem wunderschönen Bändchen zu zitieren, das er ganz bestimmt aus Moskau mitnehmen würde. Juliane kam nicht dazu, ihm, oder in diesem Fall Schiller, zu widersprechen, denn die Tür ging auf und Felix trat ein. Juliane warf ihm einen bitterbösen Blick zu, den er gelassen aufnahm.
    »Psst.« Johannes hielt den Zeigefinger an den Mund. »Die Assenheimerin hält einen Vortrag.«
    »Ich bin schon fertig«, sagte sie erschöpft. »Ist ja doch alles sinnlos.«
    »Warum?« Johannes sah sie mit einem Blick an, der sofort wieder einen Schwarm Schmetterlinge in ihrem Bauch zum Flattern brachte. »Ich finde es gut, daß du dir Gedanken machst, Assenheimerin. Du solltest sie aufschreiben.«
    »Wozu?« fragte sie. »Das interessiert doch niemanden. Ich kann die Welt nicht verändern.«
    »Aber probieren könntest du es«, meinte Johannes leichthin und da sie vermutete, daß er sich nur wieder über sie lustig machte, setzte sie ganz sachlich hinzu: »Außerdem habe ich keine Zeit. Ich muß jemanden finden, der Brot backt. Es gibt kein Brot mehr in der Stadt.«
    »Ich kann Ihnen helfen.«
    Verblüfft sah sie Felix an, der ihr mit einem feinen Lächeln erklärte, daß er einer deutschen Frau begegnet sei, die zwar eine Bäckerei, aber kein Getreide habe. Da im Keller reichlich Mehl vorhanden sei, könne sie mit dieser Frau ins Geschäft kommen. Juliane vergaß augenblicklich die Politik und bat Felix, sie gleich am nächsten Morgen zu der Frau zu führen.
    »Ist das nicht etwas leichtsinnig?« fragte Johannes seinen Diener.
    »Ich weiß, was ich tue«, erwiderte der nur.
    Juliane blickte verwirrt vom einen zum anderen. Was ging hier vor? Wieso sollte es leichtsinnig sein, wenn Felix sie zu einer Bäckerei führte?
    »Einen Gärtner habe ich wahrscheinlich auch für Sie«, sagte Felix hastig. Deswegen, dachte Juliane, deswegen ist Felix nie zur Stelle, wenn man ihn braucht! Er wandert täglich durch die Straßen Moskaus! Wenn er ihr dabei von Nutzen sein konnte, dann würde sie sich nicht mehr über seine Abwesenheit beklagen.
    Sie freute sich darauf, wieder mit einem weiblichen Wesen Deutsch sprechen zu können, war aber sehr enttäuscht, als sie merkte, daß die alte gebeugte Bäckerin kein Interesse daran hatte, sich mit ihr zu unterhalten. Sie sprach nur das Notwendigste und schien immer froh zu sein, wenn Juliane mit dem Handkarren voller Brot die Bäckerei verließ. Manchmal brachte sie das Brot selber, aber auch dann sprach sie weder mit Juliane noch mit den anderen Kunden im Laden. Noch nie hatte Juliane einen so mürrischen Menschen wie die alte Matka kennengelernt.
    Ganz anders verhielt sich der russische Gärtner, der kein Deutsch sprach, aber zum Ärger seiner Frau liebend gern mit Juliane ins Gespräch gekommen wäre. Wie ein Höllenhund wachte die Frau darüber, daß ihr Mann Juliane keinen Preisnachlaß gewährte und es verging kein Besuch, an dem sie Juliane nicht mit verdrossenen Blicken bedachte.
    Das änderte sich, als Juliane eines Tages Matthäus mitnahm. Er hatte schon öfter geäußert, daß er gern richtig Russisch lernen würde und Juliane hielt den Gärtner Fjodr Andrejewitsch für die richtige Adresse. Es kam ganz anders.
    Olga, Fjodrs Frau, warf einen Blick auf Matthäus, begriff, was er wollte, zog ihn auf ein Bänkchen im Garten und begann mit dem Unterricht. Juliane fiel aus allen Wolken, wie liebenswürdig die sonst immer keifende Gärtnersfrau sein konnte. Sie sah sich Matthäus genauer an, fand, daß er zwar durchaus Respekt einflößend, aber keineswegs attraktiver aussah als der Gärtner selbst.
    Was will die von meinem Mann, fragte sie sich manchmal leicht beunruhigt. Aber sie machte bessere Geschäfte mit dem Gärtner, wenn der Korporal mitkam und Olga ihn in Beschlag nahm. Matthäus lernte schnell, weigerte sich aber die kyrillische Schrift zu lernen und schrieb die Vokabeln nach Gehör auf.
    Juliane kam bald dahinter, daß sich ihr Laden zu einer Nachrichtenzentrale entwickelt hatte. Er war einer der wenigen Orte, wo Sieger und Besiegte einander begegneten, wo man das Neuste über französische und russische Stellungen und den jüngsten Standort der ständig umherziehenden Tauschmärkte hören konnte.
    Aber die meisten Kunden waren auf der Suche nach

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