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Die Mars-Stadt

Die Mars-Stadt

Titel: Die Mars-Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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klimperte.
»Aber das hat ihn nicht gerettet, er
wurde…«
    »Kürzer gemacht«, meinte Reid.
    »Um einen Fuß.«
    »Nein, du Idiot, um einen Kopf.«
    »Wollt ihr die ganze Nacht hier stehen
bleiben?«
    »Bloß einen Moment.«
    »Bloß eine Sekunde.«
    »Benannt nach…« Ich suchte nach einer
Inspiration.
    Reid schubste mich an. »Komm schon.«
    Ich ging hinein. Eine Kellerwohnung, großes Wohnzimmer,
Schlafsofa, elektrischer Kamin. Snoopy-Poster, Stofftiere,
Mädchenkram. Eine winzige Kochnische, wo Annette einen
Wasserkocher einschaltete.
    Wir unterhielten uns, wir tranken Kaffee, der uns nur noch
aufgekratzter machte, Sheena drehte einen Joint.
Später… später war ich in der Küche und
lehnte mich an die Spüle, während Sheena eine weitere
Runde Nescafé machte und den heruntergebrannten Joint noch
einmal ansteckte. Die Tür war fast geschlossen, Daves und
Annettes unablässiges Gemurmel drang hindurch.
    Sie stellte die Milch in den Kühlschrank zurück,
stützte sich auf meinen Schenkel. Ich beugte mich vor,
teilte ihren Pony und sah sie an.
    »Soll ich über Nacht bleiben?«
    »Nee, besser nich’.« Sie reichte mir den
verkohlten Stummel; ich nahm einen Zug, dann hielt ich ihn unter
den Wasserhahn. »Ich meine, ich hätt’ schon
nichts dagegen, aber ich seh doch, dass du mehr auf Annette
stehst.«
    »Ich wünschte, sie sähe das auch so. Ich
wünschte, ich hätt’s ihr gesagt.«
    »Ach, das weiß sie doch. Ich glaube, sie hat
Angst. Du bist so… intensiv.«
    »Intensiv? Moi? Du meinst, anders als mein guter Freund
Dave Kämpfer-für-das-Gute-Reid? Mit seiner charmanten
Mehrwerttheorie, ja?«
    Sheena grinste. »Is’ nich’ ganz falsch.
Verstehste, wenn er sich die Mühe macht, mit ihr zu
diskutieren, dann geht’s ihm nicht bloß darum, sie
flachzulegen.«
    Der Wasserkessel summte. Ich starrte die Neonröhre
über der Arbeitsfläche an und kniff die Augen zu.
Sheenas Gewicht entfernte sich, dann klapperte sie mit den
Tassen. Ich seufzte, als mir plötzlich der Kaffeeduft in die
Nase stieg.
    »Also hast du den Eindruck, ich mache zu viel Druck? Ich
hatte den ganzen Abend über doch kaum Gelegenheit, auch nur
ein paar Worte mit ihr zu wechseln.«
    »Stimmt genau«, sagte Sheena. »Du quatschst
mit mir, du quatschst mit Dave, und ständig guckst du
Annette an und lächelst, ganz gleich, was sie
sagt.«
    »Das stimmt nicht!«
    Sie sah mir in die Augen.
    »Na schön«, gab ich zu. »Vielleicht
hast du ja Recht. Tut mir Leid. War wohl ein bisschen
unhöflich.«
    »Mehr als nur’n bisschen«, meinte sie.
»Aber ich nehm’s dir nicht krumm. Ich hab das Ganze
ja angefangen. Los, komm, hilf mir mal mit den Tassen.«
    Als ich den Kaffee getrunken hatte, stand ich auf. Dave und
Annette saßen auf dem Boden, mit dem Rücken ans Bett
gelehnt. Dave hatte Annette den Arm um die Schultern gelegt.
    »Bis dann mal, Leute.«
    »Bis dann«, sagte Dave.
    »Gute Nacht«, sagte Annette. Ich versuchte, in
ihren zusammengekniffenen Augen zu lesen, wollte ihr zuzwinkern.
Sie sah zu Boden.
    An der Tür gab Sheena mir einen herzlichen Gutenachtkuss,
der ebenso unerwartet kam wie ihr Kuss in der Disco.
    »Sicher?« Ich rang mir ein durchtriebenes
Lächeln ab.
    »Sicher.« Sie fasste mich bei den Schultern, hielt
mich fest. »Du bist’n netter Junge, aber wir sollten
uns das Leben nicht noch schwerer machen, als es schon
ist.«
    »Okay, Sheena. Gute Nacht. Bis dann mal.«
    »Hau schon ab!«, sagte sie lächelnd und
schloss die Tür.
    Kacheln bis auf Brusthöhe, weiße Tünche,
poliertes Balkongeländer. Glasgower Arbeiterehrbarkeit, ganz
anders als der Studentenslum, in dem ich wohnte. Plötzlich
hatte ich einen Einfall. Ich wandte mich zur Tür um, ging
davor in die Hocke und hob die gesprungene Messingklappe des
Briefkastens an.
    »Dave!«, rief ich.
    »Was ist?«, ertönte von ferne seine leise
Antwort.
    »Nach Karl dem Zweiten!«, [i] brüllte ich. »Schirmherr
der Royal Society!«
    Während meines Aufenthalts in der Wohnung hatte sich eine
Wolke auf die Stadt herabgesenkt. An der Kreuzung von Great
Western und Byres Road wartete ich an einem
Fußgängerübergang. Von hinten näherten sich
klackend Schritte, hielten neben mir an. Ein Mädchen in
einem Pelzmantel. Sie wandte sich mir lächelnd zu und
fragte: »Was zeigt die Ampel an? Ah, ich seh schon.«
Eine Stimme wie eine warme Hand, Upperclass-Akzent. Auf dem Pelz
und in ihrem Haar glitzerten

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