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Die Mars-Stadt

Die Mars-Stadt

Titel: Die Mars-Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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alte Lied«,
meinte er. »Die Schnelldenker, ob sie nun AIs oder
bloße Uploads sind, könnten es schaffen. Wir nicht,
und wir wagen es nicht, sie wieder aufzuwecken, solange wir nicht
wissen, wie wir sie vor dem Durchdrehen bewahren oder wie wir sie
im Falle des Durchdrehens in Schach halten sollen.«
    Wir standen schweigend da und ließen uns das durch den
Kopf gehen.
    »Also«, sagte ich, »ich kann damit leben.
Für einen aufgeweckten jungen Robot gibt es hier eine Menge
zu tun. Was den gesellschaftlichen Umgang betrifft, können
wir VR und Projektionen und so weiter
einsetzen…«
    »Davon würde ich abraten«, sagte Reid.
»Die Haltung, von der ich euch vor einiger Zeit berichtet
habe, hat sich eher noch verstärkt. Menschen sind Menschen.
Robots sind Robots. Damit einher geht eine nahezu hysterische
Angst, die Grenze zwischen VR und Realität zu verwischen.
Man glaubt, das sei der Grund, weshalb die Schnelldenker
böse, beziehungsweise wahnsinnig wurden.«
    »Und das ist gar nicht so falsch«, bemerkte ich
bitter. »Allerdings begreife ich nicht, weshalb man deshalb
auf die Vorteile der virtuellen Realität verzichten
sollte.«
    »Das tut auch niemand«, meinte Reid. Er fuhr mit
dem Finger durch die Staubschicht auf der Retorte und
hinterließ eine glänzende Spur. »Die Leute
nutzen sie für Spiele, für Designarbeiten und wohl auch
für Pornos. Aber eine nahtlose VR, wie die, in der ihr lebt
– das nicht.«
    »Okay«, sagte Meg. »Wie Jon schon sagte, ich
kann damit leben. Ich kann mit ihm leben. Etwas anderes habe ich
nie gekannt. Aber ich wüsste gern, was wir tun sollen.
Könnten wir nicht versuchen, die Schnelldenker zu
kontrollieren oder sie einzudämmen? Ich vermute, dass wir
dafür ganz gut ausgerüstet sind.«
    Reid funkelte mich an.
    »Kommt nicht infrage«, sagte er.
»Völlig ausgeschlossen. Im Moment wird daran nicht
geforscht. Das dürfen wir nicht riskieren, und ich werde es
nicht zulassen. Ich besitze die erforderlichen Codes, um die
Makros wieder aufzuwecken, und ich bestimme den Zeitpunkt und den
Ort. Wir werden solange damit warten, bis wir isolierte
Weltraumlabors besitzen, die von Laserkanonen bedroht werden! Und
eins lasst euch gesagt sein: Jeder andere auf diesem verdammten
Planeten hätte euch in dem Moment, in der Sekunde, da
er festgestellt hätte, dass ihr mit irgendwelchem
Makroscheiß infiziert seid, abgeschaltet und in den
nächsten Metallrecycler gesteckt!«
    Er wich zurück, in seinem Gesicht spiegelten sich
Besorgnis und Argwohn wider.
    »Weißt du«, fuhr er fort, »den
gleichen Vorschlag hättest du gemacht, wenn du von einem
dieser Dinger als Agent benutzt würdest. Versteh mich nicht
falsch, Wilde, ich mache dir keinen Vorwurf. Aber ich hab mir
schon einmal mit denen die Finger verbrannt, und das war einmal
zu viel.«
    Ich glaubte ihm. Argumente führten hier nicht weiter. Ich
an seiner Stelle hätte genauso gehandelt. Mir wurde klar,
wie ähnlich wir uns waren: Da wir kein Gesetz, keine Moral
und keine Sentimentalitäten gelten ließen, glich unser
Egoismus nicht dem eines Kindes, sondern dem eines Teufels, der
lediglich dem verpflichtet war, was sein starkes Ego sich bereits
angeeignet hatte. Reid hatte sich eine Welt zu Herzen genommen
und ich die Toten.
    »Okay« sagte ich. »Beruhig dich. Sag mir
bloß noch, was ich tun soll.«
    »Geh möglichst weit fort von hier«,
antwortete Reid. »Erkunde den Planeten – das
wäre nützlich und interessant, und auf diese Weise
würdest du eine Weile nicht mit Menschen
zusammentreffen.«
    »Ist gut«, sagte ich. »Das ist mir
Recht.«
    Bloß Meg, da bin ich mir sicher, spürte die hinter
meinem Einverständnis verborgene Bitterkeit.
    Ich blickte mich um. »Was passiert eigentlich mit der
Halle, jetzt, da das Herunterladen abgeschlossen ist?«
    Reid hob die Schultern. »Wahrscheinlich werd ich sie an
eine Gesundheitsfirma verkaufen«, sagte er. »Wir
können immer noch Ersatzkörper oder Austauschorgane
klonen. Wir können immer noch Livetransfers machen,
bloß sind uns momentan die gespeicherten Bewusstseine
ausgegangen. Und…« Er brach ab. »Ach, alles
Mögliche! Weshalb fragst du?«
    Ich lachte. »Ich möchte nicht irgendwann Klons von
mir begegnen. Oder Klons von Meg. Ich habe auch so schon genug
Identitätsprobleme.«
    Er langte in einen Schlitz an der Seite des
Retortenrechners.
    »Da haben wir dich«, sagte er.
    Er reichte mir einen Plastikschnipsel,

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