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Die Mars-Stadt

Die Mars-Stadt

Titel: Die Mars-Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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der einem
mikroskopischen Dia ähnelte.
    »Deine Gewebeprobe.« Reid lächelte.
    Ich blickte mit den Augen des Robots auf das transparente Dia
hinunter. In der Mitte befanden sich, eingeschlossen in eine
Stickstoffblase, ein kaum sichtbarer Hautfetzen und ein Chip.
    »So sehe ich also in Wirklichkeit aus«, sagte ich.
»Was ist auf dem Chip gespeichert?«
    »Dein ursprüngliches Gedächtnis«,
antwortete Reid. Er ging zur nächsten Retorte weiter und
reichte mir ein zweites Dia. »Wie du siehst, hat Meg keinen
Chip. Deiner ist jetzt natürlich völlig nutzlos –
ohne die Schnelldenker kann dein Gedächtnis nicht
reaktiviert werden. Aber jedenfalls gehört es
dir.«
    Ich verstaute die beiden Dias in einem Fach im Rumpf.
    »Und was die Klone betrifft…«, sagte Reid.
Er tippte jeweils einen Code in die Retortenrechner ein.
Während die winzigen Abbauautomaten, die Nanopiranhas, ihre
Arbeit verrichteten, wurde die Flüssigkeit im Innern erst
milchig und dann dunkel. Selbst die Blutzellen wurden in einzelne
Moleküle zerlegt, ehe sie das Wasser rot färben
konnten. In wenigen Minuten war alles vorbei, anschließend
wurde die Retorte gespült.
    »Danke«, sagte ich und ging hinaus.
    Zum Teufel mit dir, Kumpel.
     
    Beim Bau des Kanals hatten wir ein Vermögen verdient. Ein
Robot mit menschlichem Bewusstsein war nach wie vor
geschäftsfähig. Ich habe keine Ahnung, ob irgendjemand
wusste, dass ich alles andere war als ein solcher Robot. Wir
leerten das Bankkonto und erwarben ein Raupenfahrzeug und eine
Menge Geräte – Werkzeuge, Maschinen,
Kommunikationsausrüstung, Atomsprengköpfe, Nanotech,
VR-Software, Klonierungskits, sämtliche erhältlichen
Prozessoren. Ich packte alles in das Fahrzeug, zwängte mich
in die Fahrerkabine und fuhr los, erst durch Straßen und
dann an der dem Steinkanal gegenüberliegenden Seite der
Stadt hinaus ins offene Land. Vor mir lagen die Wüsten des
Planeten, ausgetrocknete Meeresbecken, von deren ausgestorbenen
oder ausgerotteten Bewohnern nur mehr ausgedörrte Knochen
und noch trockenere Exoskelette übrig geblieben waren.
Hinter uns versanken die immer weiter in die Höhe wachsenden
Türme der Stadt hinter dem Horizont.
    Ich schaltete auf ein VR-Modul um, das mich beim Fahren
darstellte, mit Meg als meiner Beifahrerin. Ich grinste sie an.
Während all dieser zielstrebigen Aktivitäten hatte sie
teilnahmslos geschwiegen.
    »Was machen wir jetzt, Jon?«, fragte sie.
    Ich nahm eine Hand vom Steuer und schwenkte sie, während
ich den illusionären, schmutzigen Realismus der Kabine auf
mich wirken ließ. Auf dem Armaturenbrett waren Brandflecken
von Zigaretten. »Man kann sich an diese nahtlosen
Virtualitäten schon gewöhnen«, sagte ich.
»Das ist besser als die Wirklichkeit, mein
Schatz.«
    »Wenn du es sagst«, meinte sie. »Aber was
sollen wir jetzt anfangen?«
    »Wir fahren umher«, sagte ich. »Und
währenddessen hacken wir uns durch die
Höllentore.«
    Ich erklärte ihr, was ich damit meinte, und sie war
einverstanden. Jede andere Frau und übrigens auch jeder
andere Mann hätte mich angefleht, davon Abstand zu nehmen.
Über Sukkubi kann man sagen, was man will, aber loyal sind
sie jedenfalls.
    Es wurde Nacht, wir fuhren mit ausgeschalteten Scheinwerfern
weiter, immer weiter, und sprachen darüber, wie man die
Höllentore hacken könnte. Am Himmel sah man die
Lichtpunkte und Schlieren der ersten eintreffenden Kometen.
     
    Wir umrundeten den Planeten zahllose Male, und der Planet
umrundete hundert Mal die Sonne, bevor der Turm vollendet war,
was zwei Jahrhunderte nach Erdzeit in Anspruch nahm. Die
Kanäle breiteten sich aus, weitere Siedlungen entstanden.
Die Bevölkerung wuchs, wenn auch nur langsam, wie es bei
unsterblichen Populationen eben so ist. Wir entdeckten
Erzvorkommen, Ölvorkommen, Kohle. Wir verkauften die
Informationen und bisweilen auch die entdeckten Rohstoffe.
Prospektoren ließen sich von uns mitnehmen und bezahlten
dafür mit Vorräten und Kleidern, die wir an andere
Reisende weiterverkauften.
    Unser Bankkonto blieb gültig und füllte sich immer
mehr. Unsere Vorräte frischten wir über Tarnfirmen und
durchtriebene Mittelsmänner auf. Häufig unterhielten
wir uns mit Robotern, mit Menschen nur selten. Die Haltung, vor
der Reid uns gewarnt hatte, prägte nicht nur die
Gesellschaft, sondern wurde zu ihrem Fundament. Als es bei den
frivolen Reichen in Mode kam, aus den überzähligen
Gewebeproben

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