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Die Mars-Stadt

Die Mars-Stadt

Titel: Die Mars-Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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Woche, die gerade vorbeikam,
komplette Zeitverschwendung sei… Er glaubte, einen
Schuljungen des Raumfahrzeitalters zu einem wissenschaftlichen
Sozialisten zu erziehen, dabei wurde ich bloß zu einem
ebenso sturen Außenseiter wie er.
    Die Tänze wirbelten ebenso rasch vorbei wie die
Tänzer, unterbrochen lediglich von kurzen Pausen, in denen
wir Whisky in uns hineinkippten und eine rauchten. Annette und
ich stützten uns beieinander auf und hatten denselben
Gedanken.
    »Einen Drink?«
    »Einen Drink.«
    Diesmal gingen wir zur Bar, die wir dank unserer
zufälligen Position am Ende der Tänzer als Erste
erreichten. Annette setzte sich auf einen Barhocker, den ihr
Kleid verdeckte, sodass es aussah, als schwebe sie in der Luft.
Ich stützte die Ellbogen auf den Tresen und bestellte zwei
Bier.
    »Also, das war toll«, sagte ich. »Hat mir
Spaß gemacht.«
    »Mir auch«, meinte Annette. »Cheers.«
Sie trank das halbe Glas leer. »Übrigens«, fuhr
sie fort, »dass du ausgerechnet das kleinste
Blumenmädchen in die Luft geschleudert, dir die Braut unter
den Arm geklemmt und ihre Großmutter durch den halben Saal
geschleppt hast, das war nicht unbedingt nötig.«
    »Oh.« Ich versuchte mich zu erinnern. »Hab
ich das getan?«
    Sie grinste. »Aber klar doch. Ich war richtig stolz auf
dich. Jetzt kann mich keiner mehr hänseln, ich hätte
einen komischen Engländer mitgebracht.«
    »Ich wusste gar nicht, dass über mich geredet
wird.«
    »Also, jetzt wird man halt bloß
spekulieren.« Sie zwinkerte mir zu.
    »Über uns?«
    »Aha«, meinte Annette. »Also gibt es doch
ein ›Wir‹?«
    Auf einmal ernst geworden, in einen Glorienschein aus Rot und
Schwarz gehüllt.
    »Wenn du willst«, sagte ich.
    Sie musterte mich ruhig mit ihren grünen Augen.
    »Und was willst du?«
    Um uns herum wurde geschrien, Leute langten nach ihren Drinks,
drängten gegen uns. Die Musik setzte wieder ein. Ich sehe
und höre das erst jetzt. Damals gab es nur sie.
    »Ich habe gar keine andere Wahl«, sagte ich. Ich
trat einen Schritt vor und legte ihr die Arme um die Hüfte.
Wir stießen mit der Stirn aneinander. »Alles war in
dem Moment entschieden, als ich dich zum ersten Mal
sah.«
    »Für mich auch«, sagte sie, dann küssten
wir uns. Es war eigenartig, sie aus gleicher Höhe zu
küssen. Als wir fertig waren, rutschte sie vom Barhocker
herunter. Sie lächelte zu mir auf und sagte: »Aber ich
habe dich zuerst gesehen.«
    »Und wozu waren dann die vergangenen drei Monate
gut?«, fragte ich erstaunt und mit einem Anflug von
Bitterkeit.
    »Ich bin wie du«, antwortete sie. »Ich will
frei sein.«
    »Aber du kannst mit mir frei sein!«, sagte ich.
»Jederzeit. Bitte sehr.«
    Wir fielen uns lachend in die Arme.
    »Ja«, meinte sie.
    Und dann war alles gesagt, und wir standen einfach bloß
an der Bar und tranken.
    Irene, die Braut, näherte sich uns in einem schicken
blauen Zweiteiler mit klappernden Absätzen, lächelte
mich zurückhaltend an und flüsterte Annette etwas ins
Ohr.
    »Bin gleich wieder da«, sagte Annette. Ich
verneigte mich vor ihnen beiden – und vor der Notwendigkeit
– und sah ihnen nach, wie sie miteinander tuschelnd
verschwanden.
     
    Nach etwa einer Viertelstunde kam Annette zurück.
    »Alles in Ordnung?«, fragte ich und schob ihr ein
Glas hin. Sie wirkte ein wenig zerstreut.
    »Eigentlich schon. Danke«, sagte sie und trank
einen Schluck Bier. »Ich hab gerade zehn Minuten an der
Rezeption rumgehangen, mit Irenes Hochzeitskleid in einer
Plastiktüte über der Schulter. Dann hab ich endlich jemanden gefunden, der es weggepackt hat. Einfach
so dalassen konnte ich es nicht. Jemand hätte es mit den
Schlüsseln verwechseln können.«
    »Dann macht es also richtig Spaß, Brautjungfer zu
sein.«
    »Ha, ha. Was weißt du schon davon.«
    »Ich glaube, ich würde lieber
nicht…«
    Ich bemerkte, dass die Musik aufgehört hatte und dass
jemand den Stimmenlärm zu übertönen versuchte.
    »He, komm schon!«
    Annette wirbelte herum und rannte zum nächsten Ausgang,
wo Irene und ihr Mann, umringt von einer Traube von Frauen,
rückwärts nach draußen zurückwichen.
    Etwas segelte über die Köpfe der Menge hinweg. Vor
meinen Augen reckte Annette die Hand wie eine eifrige
Schülerin und fing es auf. Als sie sich unter dem lauten
Gejohle und den Neckereien der anderen umdrehte, schwenkte sie
triumphierend den Strauß und näherte sich mir mit
einem breiten Lächeln.
    »Tja«,

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