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Die Marsfrau

Die Marsfrau

Titel: Die Marsfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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diskutieren, vielleicht eine Partie Schach zu spielen. Man
konnte sich daran gewöhnen.
Mac griff nach der Halbmaske, um sie über das Gesicht zu
stülpen. Dabei ging sein Blick wieder nach unten in die Ebene.
Dort schritt noch immer Kim, der hervorbauchenden Düne
schon beträchtlich näher als vorher.
Aber doch nicht Kim! „Das ist nicht Kim!“, murmelte Mac.
Er fühlte sich plötzlich in eine ungeheure Gefühlswoge
gerissen. Ihm wurden auf einmal sein intensives, irreales
Wachträumen bewusst, die suggerierten Bilder, die ganz und
gar unwirkliche Marsatmosphäre, der eintönige, auf die
Nerven gehende Dienst, dazu das nicht abreißende Sehnen
nach der Erde, nach der Frau Kim…
„Ich werde wahnsinnig!“ Mac biss die Zähne zusammen, fuhr
sich erneut über die Stirn, drückte die Finger in die
Augenhöhlen, bis er den dumpfen Schmerz nicht mehr
ertragen konnte. Dann stand er auf, wollte sich zwingen, den
Hang hinunterzusteigen. Und dann nur noch einen kleinen
Blick zum Dünenfuß…
Wie angewurzelt blieb Mac stehen und starrte. Dort schritt –
nun durch sein Reiben in den Augen mit unscharfen Konturen
– noch immer jene Frau. Sie hob sich hellblaugrün im Licht
Violas vom dunklen Grund ab. Ihr Haar schimmerte wie
blaueloxiertes Aluminium.
Mac schauderte. Sie war stehen geblieben, und es schien ihm,
als blicke sie zu ihm herauf. Durch Zusammenkneifen der
Augen bemühte er sich, den Blick wieder klar zu bekommen.
Wie in Trance fingerte er nach dem Fernglas.
Ihr Körper, ihr Gesicht waren ihm zugewandt. Und obwohl
zwischen ihm und ihr ein Abstand von 200 Metern sein
mochte, bemerkte Mac ihre völlige Nacktheit.
Seine Bewegungen wurden fahrig. Er konnte den Verschluss
des Fernglasetuis nicht sogleich öffnen, heftig riss er daran,
zog am Umhängeriemen und hatte schließlich das Instrument
frei. Als er wieder aufblickte, hatte sich die Erscheinung in
Bewegung gesetzt. In einem leichten Dauerlauf verschwand sie
hinter der Ausbuchtung der Düne.
Mac stand unschlüssig, das Glas umkrampft. Schweiß brach
ihm aus, die Kopfhaut unter der Halbmaske begann zu
kribbeln. Mechanisch drückte er die Sauerstofftaste. Aber die
erfrischende Wirkung hielt nur Sekunden an.
Mac rang nach Sammlung. ,Wenn ich jetzt schlappmache’,
dachte er, ,ist es aus mit den Rockys. Noch ein halbes Jahr!’
Ihn überfiel Verzweiflung. Er sah seine Traumbilder stürzen,
sah sich selbst hinter einem Tisch in irgendeinem Institut
sitzen oder Reihen von Automaten abschreiten.
Bisher hatte er nie daran gedacht, dass er das Trainingsziel
nicht erreichen könnte. Und nun das: Halluzinationen am
helllichten Tag, aus heiterem Himmel.
Mac setzte sich, legte sein Gesicht in die Hände. Er zwang
sich zu klarem Denken.
Ab und an sah er auf, musterte seine Umgebung. Nichts
bewegte sich im Licht Violas. Selbst die großen Insekten,
manchmal vorbeibrummend, schienen sich in den Sträuchern
verkrochen zu haben. Der Rhythmus hatte sich eingespielt.
Viola bedeutete Ruhe, Marsdämmerung.
Mac nahm das Glas an die Augen und suchte wieder und
wieder den Dünenbogen ab.
Nichts.
Dann kam langsam Ruhe über ihn. ,Keine Panik’, suggerierte
er sich. ,Wem schadet es schon, wenn ich eine nackte Frau
über die Felder schweben sehe. Wenn keine weiteren
Symptome hinzukommen, überstehe ich auch mit ihr das halbe
Jahr.’ Und einen Augenblick empfand er das Bild, das sich fest
in ihm eingeprägt hatte, als gar nicht so unangenehm.
,Quatsch! Es wird nicht wieder erscheinen. Ich werde eben
meine Dämmerstunde aufgeben!’
Erleichtert stand Mac auf. „Wir werden sehen“, sagte er laut.
Aber anstatt auf den Pfad zurückzukehren, schlug er einen
Weg quer durch die Kulturen zum Dünenbogen ein.
Schon unterwegs begann er die wenigen nicht bewachsenen
Bodenflächen zwischen den Ranken und Blättern der Pflanzen
sorgfältig zu mustern.
Er betrachtete seine Spur und stellte zum ersten Mal
ergrimmt fest, dass sich die niedergetretenen Stängel wieder
erhoben, als wären sie aus Gummi. Sonst hatte ihn diese
wunderbare Resistenz begeistert.
Dann hatte er die Stelle erreicht, an der er die Erscheinung
gesehen zu haben glaubte. Er ging nur noch zögernd vorwärts,
sah nach links und rechts, betrachtete die Pflanzen und suchte
sie nach den gleichen mageren Anzeichen ab, die er beim
Hindurchlaufen hinterlassen hatte. Als erschwerend empfand
er, dass er aus Violas Richtung kam. So erzeugten zwar einige
durch sein gewaltsames Hindurchdringen verbogene Blätter
und Ranken

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