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Die Marsfrau

Die Marsfrau

Titel: Die Marsfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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dem einen
in den anderen. Und wenn Viola gesiegt hatte, dann breitete
sich im Bereich der Station jenes Fluidum über die Felsen und
Felder, das frösteln machte, das, so glaubte Mac, früher die
Märchenerzähler heraufbeschworen, als Spielwelt für ihre
Geister und Kobolde. Dabei war es keineswegs finster. Man
wollte nicht glauben, dass bei diesem Licht in einer
polychromatischen Fotozelle ebensoviel Strom floss wie beim
Schein Kalines. Viola tauchte den Mars ins Unwirkliche. Das
Land wurde unheimlich, anders als im Dämmern auf der Erde,
vielleicht weil der Dunst fehlte, der dort aus den Tälern stieg,
oder weil die zum kalten Licht gehörige Kühle ausblieb oder
die Stille ein unbändiges Sehnen nach Vogelgezwitscher, dem
Zirpen von Grillen und Grashüpfern heraufbeschwor.
Wie stets befielen Mac Träume wie hunderte Male zuvor. Er
sah sich mit Kim Hand in Hand über Berghänge wandern, mit
den Kindern auf den Wiesen tollen, er als Pferd und alle drei
seine Reiter – ja, drei sollten es sein, und Kim wollte sie selbst
zur Welt bringen. Oder er spürte förmlich, wie sie ihn umfing,
verschlafen und nach Geborgenheit duftend, wenn er vom
Nachtdienst – zu Fuß, versteht sich –, vom Dienst in der
Station nach Hause kommen würde. Und oft sah und winkte er
ihr hinterher, wenn sie zu ihrer Schicht aufbrach.
Und Mac hatte die Entwürfe im Kopf von den Spielgeräten,
die er den Kindern errichten würde, Flugapparate und
Oldtimer, eine Eisenbahn und selbstverständlich eine
Schaukel. Und aus der schönsten Astgabel würde er mit dem
Sohn ein exzellentes Katapult bauen.
Trotz des unübersehbaren Angebots würde er nur die
Studeomaten anschaffen und die natürlich, die die schwere
Hausarbeit verrichteten. Kim sollte sich schonen. Sie wollten
von der Natur etwas haben, freilich gelegentlich auch die
größeren Siedlungen besuchen, befreundete Familien.
Mac sah wieder vor sich die entsetzten Gesichter seiner
Eltern, als er den Vorschlag gemacht hatte, Vater und Mutter
sollten später, nach seinem Marsdienst, mit seiner Familie dort
wohnen in den Rockys. Nein, wie kann man nur! Das sei
Primitivismus. Vielleicht auf ein, zwei Wochen im Jahr zu
Besuch. Noch nicht einmal Aussicht bestünde, dass in
absehbarer Zeit eine Relaisstation für Live-Illusionen den
Empfang dort ermöglichen würde. Im Übrigen könne man sich
ja sehen, wann man wollte, sogar täglich bei Bedarf. Video lief
zum Glück über Satellit. Und so borniert würde Mac doch
wohl nicht sein, dass er vielleicht gar auf ein Videophon
verzichtete. – Mac lächelte. Natürlich nicht.
Dann suggerierte er sich den kleinen See, ja, es gelang ihm
sogar, das Rascheln des Schilfes zu hören, den feuchtmodrigen
Uferduft zu riechen. Und da ging Kim, ihr knabenhafter
Körper von der untergehenden Sonne angestrahlt. Zaghaft, die
Beine hoch anhebend, durchquerte sie das Ufergestrüpp und
stieg schaudernd ins Wasser, die Arme ausgebreitet wie eine
Seiltänzerin.
Viola hatte gesiegt. Der Schatten war, von Mac nicht
bemerkt, von seinen Füßen hinweggeglitten. Das sonst
freundliche Grün der Felder lag eingehüllt in einem kalten
Hauch. Die Wüste rechts verlor sich bis weithin zum Horizont
in veilfarbenen Schleiern.
Mac wusste hinter sich den blendendbläulichen Ball, der jetzt
in voller Größe über dem anderen Ufer des Cañons stand. Mac
richtet sich auf. Der Schatten seines Körpers sprang zwischen
Felsbrocken etliche Meter den Hang hinab und lag dann da wie
ein düsterer Hohlweg.
Rechts unten in der Ebene, dort wo sich die Anhöhe aus den
Feldern hob, schritt graziös balancierend Kim. Sie hatte jetzt
langes, blaugoldenes Haar, erschien größer zwischen den
niedrigen Pflanzen und war fraulich rundlicher geworden. Ihre
Brüste wippten im Takt der hohen Schritte. Mac schloss die
Augen, genoss das Bild. „Kim“, murmelte er, „es hat am
längsten gedauert!“
Der Mann strich mit der Hand über die Augen, spürte auf
einmal den Schmerz in den Ellbogen, auf die er sich die ganze
Zeit gestützt hatte, und mit einem Ruck setzte er sich auf. ,Es
wird Zeit’, dachte er. ,Alexej wird sich Gedanken machen?
Doch Mac wusste, dass sich Alexej keine Gedanken machen
würde, selbst dann nicht, wenn er die ganze Nacht wegbliebe.
Aber Mac gefiel die Vorstellung, dass ihn jemand erwarten
könnte, und bisher hatte er sich daran gehalten, auch ohne
Anlass, pünktlich zu sein, das Abendessen gemeinsam
einzunehmen, die offiziellen Videogramme zu überfliegen, sie
zu

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