Die Marsfrau
Pfeife und
rechte Hand hinein und begann darin wie ein Erdhörnchen zu
wühlen.
Sylvester stieg der herbe Geruch unfermentierten Tabaks in
die Nase. Und zwischen den ersten beiden Rauchwolken sagte
der Alte undeutlich und stoßweise, so wie er den Qualm
ausstieß: „Das ist nicht leicht, Söhnchen, was du dir da
vorgenommen hast! Jetzt, wo man doch die richtigen Schweine
gar nicht mehr braucht, hm!“
Sylvester erklärte ihm, wozu er die Tiere benötigte. Er
bemühte sich um Klarheit und Kürze und darum, dass keine
Ungeduld in seinen Worten mitschwang.
„Also“ – ein Zug aus der Pfeife – „schlachten wollt ihr sie
demnach nicht!“
Sylvester schöpfte Hoffnung. Wer Interesse am Wohlergehen
der Tiere hat, der liebt sie auch. Und wer Tiere liebt, der
besitzt welche, wenn er die Gelegenheit dazu hat. Diese Farm
hatte die Marowa gekennzeichnet, also gab es hier vermutlich
Schweine… Nach dieser Logik beeilte sich Sylvester zu
versichern, dass es den Schweinen nirgends so gut ergehen
könne wie im Institut.
„Aha, das ist gut“, sagte der Alte. „Weißt du, ich mag die
richtigen auch lieber. Als Junge habe ich noch die Sau zum
Eber getrieben. Das war eine Freude!“ Sylvester blieb es
unklar, für wen das eine Freude gewesen sein sollte. „Aber
dann ging es bergab. Eine Zeitlang kam noch der
Rucksackeber, und dann besorgten das nur noch die
Weißkittligen vom Labor…“
„Und an wen kann ich mich wenden?“, fragte Sylvester, als
der Alte abermals heftig an seiner Pfeife zog.
Der Greis sah ihn von unten herauf merkwürdig an. „Und du
sagst, dass ihr sie wirklich gut behandelt?“
„Aber ja, Väterchen!“ Langsam wurde Sylvester ungeduldig.
„Ihnen geht es gut!“
„So, es geht ihnen gut!“ Der Alte machte eine Pause. Und
dann fragte er plötzlich mit zusammengekniffenen Augen,
nicht ohne Schärfe in der Stimme: „Und was habt ihr da mit
den vorigen gemacht, he?“
„Wieso?“, fragte Sylvester verdutzt zurück. „Mit welchen
vorigen?“
„Na, die die Kleine unlängst geholt hat!“ Der Alte blinzelte
zu Sylvester empor, als wollte er sagen: „Reingelegt, du
Grünschnabel!“
„Welche Kleine?“, fragte Sylvester aufgebracht. Er hatte sich
von der Überraschung noch nicht erholt. ,Na warte!’, dachte er
ergrimmt, ,Pfuschst du mir dazwischen, Marowa!
Das kann ich leiden! Da wirst du den Reim von einer anderen
Seite kennen lernen.’
„Tu nicht so, Bürschchen! Na, die Hübsche. So viele habt ihr
von der Sorte bestimmt nicht, dass du sie dir nicht gemerkt
hättest. Siehst mir nicht danach aus.“
„Wann, Großväterchen, wann war die hier?“ Sylvesters Frage
kam voller Groll, heftiger, als er beabsichtigt hatte. Schließlich
konnte der alte Mann ja nichts dafür.
Der Pförtner ließ sich von der Erregung seines Besuchers
nicht beeindrucken. Er kaute auf dem Pfeifenmundstück
herum, paffte einige Wolken von sich. Innerlich schüttelte sich
Sylvester, als er den Pfeifensaft Schnorcheln hörte. „Na, warte
mal…“ Dem langen Nachdenken half der Alte mit einer
weiteren Qualmwolke nach, die Sylvester zurückweichen ließ.
„Warte, das muss so vor sechs oder sieben Jahren gewesen
sein. Ja, das war das Jahr, in dem uns die Lagerhalle
weggebrannt ist. Das war ein Feuerchen, sage ich dir. Da
waren wir ganz froh, dass wir die Fresser los wurden. Ich war
damals noch im Stall. Sie hat auch gesagt, dass sie sie gut
behandeln will. Und heute brauchst du neue, siehst du, so ist
das! Tja, Freundchen, Iwan Stepanowitsch hat Gedächtnis, der
merkt sich so was!“ Er tippte sich mit dem Mundstück an die
Schläfe.
Sylvester fühlte sich erleichtert und erneut überrascht. Die
Marowa war’s also nicht. Das freute ihn irgendwie.
Sollte es eine Spur dieser Müller sein? Seinen Vorsatz, denen
am Institut hinter die Schliche zu kommen, hatte er noch nicht
aufgegeben. Und er fragte den geschwätzigen Alten nach allen
Regeln aus. Er erfuhr von dem bereitwillig Plaudernden, dass
das blonde Weibsbild damals 21 der besten Sauen und zwei
Eber „davon geschleppt“ hätte. In der Seele täte es ihm heute
noch weh, wenn er daran dachte. Und deshalb – das war die
Quintessenz seiner Rede – würde er abraten, dem Institut
jemals wieder Schweine zu geben, zumal es jetzt offensichtlich
sei, dass alle umgebracht und womöglich aufgegessen worden
waren. „Die Bäuche könnt ihr euch mit den Doubles voll
schlagen, aber doch nicht mit richtigen Schweinen, ihr
Teufel!“
„Beruhige dich. Sie sind
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