Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Marsfrau

Die Marsfrau

Titel: Die Marsfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
Vom Netzwerk:
wehleidig, „wie konntest du so etwas machen? Ist es
denn sicher?“ Sein Tonfall drückte weinerlichen Vorwurf aus.
„Leider“, bestätigte Nagy mit Bedauern.
,Heuchler!’, dachte Sylvester, und sein Zorn wandelte sich in
Enttäuschung. Doch dann wehrte er sich. „Aber es ist doch ein
Unterschied, ob man Schweine dringend braucht für
wissenschaftliche Versuche, die der Menschheit
– der
Menschheit, sage ich – weiterhelfen, oder ob man die Tiere
irgendwo lediglich begafft. Es muss doch da eine Priorität
geben!“
„In der Tat“, echote Nekrassow, „da ist ein Unterschied. Aber
eine Rangfolge haben wir nicht. Mit welchem Recht auch…“
„Denen in Amursk ist das Museum genauso wichtig wie euch
eure Versuche“, bekräftigte Nagy in gleichgültigem Tonfall.
„Aber begreift ihr denn nicht: Wir bleiben stecken, wenn wir
die Tiere nicht haben. Ihnen geschieht auch nichts“, fügte er
albern hinzu; er hatte einen Augenblick an den alten Pförtner
gedacht.
Nagy lächelte. „Was ihr damit machen würdet – eure Sache.“
Diese Bemerkung machte ihn Sylvester endgültig
unsympathisch. Woher dieser plötzliche Umschwung?
Sylvester schwieg bedrückt. Nun würde er nach Lage der
Dinge doch keine Schweine heimbringen. Blindgänger! wird
die freundliche Marowa denken – oder sogar sagen.
Gänzlich unerwartet bekam Sylvester Unterstützung. Mit
Nagy war eine junge Frau eingetreten, die Sylvester zugenickt
hatte, sich dann aber im Hintergrund an der Datenbank zu
schaffen machte, die hinter dem Leittisch Nekrassows die
halbe Wand einnahm. Jetzt drehte sie den Kopf und sagte
obenhin: „Na, weißt du, Allan, aus alter Verbundenheit mit
dem Institut könntest du ihm schon einige ablassen.“
Zwei Dinge setzten Sylvester in Erstaunen. Das eine war,
dass sich nach dieser Bemerkung Nagys Gesicht einen
Augenblick lang zu einer Grimasse verzerrte, die grenzenlosen
Ärger verriet, das zweite, Wesentlichere: Nagy war offenbar
Institutsangehöriger gewesen.
„Ein Gesichtspunkt“, pflichtete Nekrassow bei, und er schien
erfreut, dass der Einwurf seine Unentschlossenheit ein wenig
milderte.
Nagy hatte die Lage erfasst. Er ging jedem weiteren Disput
aus dem Wege und ersparte sich die Peinlichkeit einer
Niederlage durch eine Chefentscheidung. „Eine gedeckte und
eine Jungsau – mehr geht beim besten Willen nicht“, sagte er.
„Ab übermorgen können die Tiere abgeholt werden. Ich werde
wohl nicht mehr gebraucht.“ –
    Alexej Bolscha fiel am Verhalten des Gefährten zunächst
nichts Sonderbares mehr auf. Es schien, als sei das Duschen
unter dem Riesler zumindest für Mac eine völlig normale
Sache, so wie sich der Wanderer nach langem, heißem
Sommermarsch in ein kühles Gewässer stürzt. Worüber er sich
Klarheit verschafft hatte, war, dass Mac in der Tat
verhältnismäßig kleine Füße hatte.
    So zeigte sich Alexej geneigt, dem Vorfall keine Bedeutung
beizumessen. Mac blieb der ausgeglichene, still-heitere
Gefährte, wie Alexej ihn von Anfang an kannte, der Mann, der
nach dem Videogramm der Liebsten fieberte, der den
langweiligen Dienst offenbar ganz gern versah, der Mann mit
dem Ziel, zu dem er aufgebrochen war und das er nah und
ungefährdet vor sich sah.
    Dazu kam, dass Alexej sich mit einem plötzlich entfachten
Eifer neben dem Dienst einer Tätigkeit widmete, die ihm einen
Teil der Langeweile vertrieb und seine Unzufriedenheit
zeitweise überlagerte: Er fing die großen Hummeln, brachte
die ärgerlich brummenden Tiere in den Stützpunkt, bändigte
die um sich Beißenden und Kratzenden mit Pinzette und
Handschuh und klemmte ihnen einen dünnen Aluminiumring
an das linke Mittelbein. Jede gefangene Hummel bekam so
ihre Nummer und wurde in einem Speicher registriert nach
Größe, Datum und Besonderheit. Alexej hatte auch die
Besatzungen der umliegenden, im Regelfall etwa 300
Kilometer entfernten Stationen benachrichtigt, die zwar fast
ausnahmslos in spöttisches Erstaunen verfielen, als sie sein
Anliegen hörten, aber, da auch ihnen jede Abwechslung, und
sei sie noch so schnurrig, willkommen war, sich eifrig bereit
erklärten, ihn bei der Ergründung des Hummelflugs zu
unterstützen.
    Alexejs Einstellung zu seinem Hobby erfuhr eine Wandlung:
War er zunächst vom Unnützen seines Tuns, außer dass es
Abwechslung brachte, überzeugt, begann er schließlich zu
glauben, dass es nicht unvorteilhaft sei, diese
Insektenmutanten in ihrer Umgebung zu beobachten.
Schließlich leisteten sie als

Weitere Kostenlose Bücher