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Die Marsfrau

Die Marsfrau

Titel: Die Marsfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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zwar nicht mehr da, aber
geschlachtet hat sie bestimmt niemand. Dafür würde ich mich
verbürgen. Wenn du willst, erkundige ich mich nach ihrem
Verbleib und rufe dich dann an. Vielleicht kann ich sie auch
zurückholen oder ihre Nachkommen. Also sag schon, an wen
muss ich mich hier wenden, um welche zu erhalten?“
„Tja.“ Iwan Stepanowitsch rieb sich mit der Pfeifenspitze den
linken Nasenflügel. „Tja“, sagte er abermals. Wieder stieg in
Sylvester Ungeduld auf. „Wir“ – und dieses ,wir’ dehnte er
verwundert, als ob ihm jetzt erst Sylvesters Anliegen ins
Bewusstsein dränge – „haben keine – alles Zobel.“ Er wies mit
der Tabakspfeife unbestimmt hinter sich. „Aber nicht für
Pelze. Nach Kanada und sonst wohin werden sie exportiert.“
Sylvester starrte den alten, immer noch üble Wolken von sich
stoßenden Mann ungläubig an. Einen Augenblick hatte er den
fast unwiderstehlichen Drang, ihn zu packen, vom Stuhl zu
reißen und aus der schäbigen Jacke zu schütteln. Aber dann
sah er ihm in die Augen, bemerkte die unzähligen Fältchen und
das feine Lächeln, das dem Gesicht etwas Pfiffiges gab, und
mit einem kräftigen Ausatmen verflog die Wallung.
Der Alte lachte lautlos, zeigte ein lückenhaftes, von
Tabakdestillaten malträtiertes Gebiss.
Und dann teilte er Sylvester mit – wieder unterbrochen von
raschelndem Gesauge an der Pfeife und einem abermaligen
Anzünden des Tabaks –, wo er vermute, dass noch echte
Schweine existieren könnten. Am sichersten sei es in dem
Reservat von Ustanka, einem Ort, den die Marowa auf ihrer
Karte nicht verzeichnet hatte und den der Alte auch nur
ungefähr angeben konnte. Er sei dort noch nicht gewesen, aber
nach Ustanka hätten sie ihre letzten Schweine geliefert. Dort
sollte für Tiergärten die Zucht aufrecht erhalten werden.
„Aber“, so hatte der Alte den Hinweis beendet, „die Leute dort
– weißt du, die, die etwas zu sagen haben
–, lauter
Zugezogene…“ Er drehte zweifelnd den erhobenen Unterarm
und wiegte den Kopf hin und her. –
    Und nun saß Sylvester unentschlossen in der Tür des Wagens
und versuchte erfolglos, sich nach der Karte zu orientieren. Es
gab zu wenig Merkmale in der Taiga, die er hätte identifizieren
können.
    Dann fuhr er langsam weiter. Aus irgendeinem Grund wollte
er nicht vor die Marowa treten und unter ihrem spöttischen
Blick eingestehen, dass er sich außer Stande fühle, ein paar
lumpige Schweine zu besorgen.
    Als er nach weiteren zwei Stunden – die Sonne stand schon
hinter den Wipfeln – erwog, umzukehren, zumal er keine Lust
verspürte, im Wagen zu übernachten, tauchte nach einer Kurve
über ihm die alte Überlandleitung auf, die er nach den
Angaben des Alten unterqueren musste. –
    Ustanka bestand nur aus der Farm und einigen Häusern. Zum
ersten Mal fühlte sich Sylvester froh, in Werchojansk und nicht
in einem Objekt wie diesem zu sein.
    Ein Junge in einem Elektrospielauto zeigte ihm, wo man
übernachten konnte.
Das Gästehaus der Farm bot Platz für sechs Personen, für
Sylvester ein Zeichen, dass sich nur wenige Besucher hierher
verirrten; denn es wäre eine Kleinigkeit, bei Bedarf mehrere
solcher Häuser per Luftschiff zu beschaffen.
Er war der einzige Gast.
Mürrisch – wohl weil er eine Ruheperiode unterbrach, und
noch dazu so spät am Tage – wurde er von einer jungen Frau
empfangen, die ihm ein Zimmer zuwies. Später, als er im
Gastraum einen sibirischen Borschtsch verzehrte, zeigte sie
sich etwas freundlicher, und sie teilte ihm auf seine Frage hin
mit, dass in der Farm tatsächlich echte Schweine gezüchtet
wurden. ,Haben sich also strapaziöse Fahrerei und mäßiger
Service gelohnt’, dachte Sylvester. –
Sylvester Reim hatte sich zu früh gefreut.
Der Leiter der Farm, ein gewisser Nekrassow, hatte zunächst
nichts dagegen, Schweine abzugeben. Mit Fettwülsten über der
Hose, einem runden Kopf mit einer bauschigen Mähne und
rosigen Wangen den Inbegriff von Behäbigkeit verkörpernd,
beteuerte er, dass er helfe, wo er könne. „Tja – und bei diesen
Schweinen. Die gehen nicht mehr so gut.“ Die Haustiermuseen
verlegten sich mehr und mehr auf Doubles. „Schließlich ist ja
von außen nicht zu sehen, ob sie echt sind, nicht wahr!“ Und er
lachte glucksend. „Wir halten daher nur noch zwei Zuchtsauen.
Wie viele Läufer jetzt da sind, ehrlich, Bürger, ich weiß es
nicht. Man kann sich schließlich nicht um alles kümmern.“
In der Tat, Nekrassow blickte so, dass kein

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