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Die Marsfrau

Die Marsfrau

Titel: Die Marsfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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schön! Wenn man sich das leisten
wollte… Aber war es das allein? Irgend etwas war da
geschehen; warum sonst sollte die Alte das Thema meiden.
Und dass sie es ganz offensichtlich und mit Nachdruck tat,
davon zeugte der Respekt, den Marie Marowa vor dieser
Problematik hatte.
    Nun verstieg sich Sylvester nicht etwa so weit, dass er seinem
Gerechtigkeitstrieb ohne Rücksicht auf seine Umwelt folgte.
Im Gegenteil, ihm blieben die Reaktionen der Kollegen
durchaus nicht gleichgültig. Stets bemühte er sich, niemanden
bewusst zu verletzen, zielstrebig hart, aber sachlich und
gerecht zu sein. Und lief das irgendwo schief, dann ging es
ihm gleich unter die Haut.
    Am Institut herrschte die Alte, Ramona-Ros Müller. Und sie
geriet bei ihm natürlich in erster Linie in den Verdacht, aus
irgendwelchen, unergründbaren Ursachen
– na, zumindest
Merkwürdiges durchfuhren zu lassen.
    Als Einziges stand fest, dass ein Forscherteam vor etwa
sieben Jahren positive Ergebnisse in der FaunellaEntwicklung erreicht hatte, von denen sie im Augenblick nur
träumen konnten. Und niemand, auch die Marowa als
Vorgesetzte nicht, wusste mehr als er, der Neuling. Nichts gab
es als die lächerliche Begründung: Fehler der Vorgänger
vermeiden! Sylvester hingegen meinte, dass Fehler erst
dadurch vermieden wurden, dass man die der anderen

ausgehend von einem höheren allgemeinen Erkenntnisstand –
analysierte, erkannte, eingrenzte
– und dadurch nicht
wiederholte. Jetzt blieb die Gefahr des unbewussten
Nachvollzugs – aber vielleicht kontrollierte die Alte streng und
würde rechtzeitig eingreifen?
    Nein, hier auf die Dauer nachsichtig zu sein, das wäre
verantwortungslos!
Sylvester spürte, dass er von seinen Kollegen nicht
unterstützt werden würde. Die Marowa gab sich trotz ihrer
Schnoddrigkeit diszipliniert. Gio entpuppte sich als guter
Zelloperateur, hatte aber über Fachfragen hinaus kaum einen
Standpunkt. Außerdem himmelte er Marie so offensichtlich an,
dass er sicher nichts unternahm, was ihr missfallen würde. Aus irgendeinem Grunde behagte Sylvester Gios
Zuneigung zu Marie nicht. Er fühlte sich dadurch – bereits als
Neuling gehandicapt
– zusätzlich benachteiligt. Allerdings
hatte er nicht feststellen können, dass die Marowa diese
Zuneigung erwiderte. –
    Trotz des zu erwartenden Abferkelns des einen Schweines
nahm Sylvester seinen Urlaub. Er hatte Alina überzeugen
können, einige Tage in Nowosibirsk zu verbringen, weil diese
Stadt explosiv gewachsen sei und dort eine ganze Reihe
modernster Experimentalbauten ständen. Überhaupt,
Nowosibirsk war sehenswert!
    Alina wusste allerdings nicht, dass in dieser Stadt eine Frau
namens Higgs wohnen sollte, die angeblich seinerzeit im
Institut gearbeitet und auch die Faunella mitentwickelt hatte.
Und diese Higgs wollte Sylvester bei der Gelegenheit
aufsuchen. –
    Sylvester selber empfand seine Beziehung zu Alina – ganz für
sich – als nicht besonders tief und innig. Sie war Kumpel im
wahrsten Sinne des Wortes. Und er glaubte, dass sie es nicht
anders einschätzte.
    Ihre wesentlichsten Interessen und vor allem Ansichten
stimmten überein, so die, dass die Wahl eines Lebensgefährten
durchaus nicht vor dem dreißigsten Lebensjahr erfolgen müsse,
dass ein ständiges „Zusammenhocken“ für Leute, die sich
verstehen, nicht notwendig sei, dass es sich andererseits aber
als angenehm erweise, einige hundert Kilometer entfernt einen
Freund zu wissen.
    Sylvester freute sich von einem Wiedersehen zum anderen
auf Alina, und sie trafen sich alle sechs bis acht Wochen für
einige Tage. Sie hatten beide ihre 60 Urlaubstage so
eingerichtet, dass sie gemeinsam die Erde – „die Wiege der
Menschheit“, wie Alina zu sagen pflegte – entdeckten, wobei
die Ziele spontan oder auch langfristig festgelegt wurden.
Deshalb zeigte sich Alina nicht überrascht, als ihr Sylvester
den Vorschlag mit Nowosibirsk unterbreitete. Sie überlegte nur
einen Augenblick lang und sagte dann: „Na, einverstanden,
warum nicht!“
    Der erste Tag gehörte ihrem Wiedersehen. Eine Weile war
sich Sylvester unschlüssig, ob er Alina in sein Projekt
einweihen sollte. Schließlich sah er davon ab. Oft hatte ihm
Alina ziemlich unverblümt und dann wenig schmeichelhaft
ihre Meinung zu seinen „Ticks“ gesagt und ihn nicht selten
damit zu verspäteter Einsicht gebracht, ihn bewogen, sein
Vorhaben aufzugeben.
    Im Falle der Faunella befürchtete er zwar nicht, dass sie
vermochte, ihn davon abzubringen.

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