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Die Marsfrau

Die Marsfrau

Titel: Die Marsfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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Aber es konnte sein, dass
sie ihm mit ihrem Gerede die Freude an den Nachforschungen
verdürbe.
    Allerdings hatte ihn Alina manchmal auch in bestimmten
Vorhaben bestärkt. Diesmal jedoch scheute Sylvester das
Risiko.
    Die Sache mit der Higgs klappte zunächst nicht. Unter dem
Vorwand, einen Stereofilm besorgen zu wollen, hatte Sylvester
das Hotelappartement verlassen und sich auf die Suche nach
der Wohnung der Higgs begeben. Alina hatte keinen Argwohn
geschöpft, zumal sie sich für den Urlaub ein mächtig dickes
papiernes Buch mitgebracht hatte, einen alten Engländer in
deutscher Sprache, und das Entziffern dieses Textes bereitete
ihr großes Vergnügen.
    Das Hotel lag außerhalb der Kuppel, die die City
überspannte. Es nieselte, und es war kühl. Trotz des
Stadtplanbildes, das sich Sylvester eingeprägt hatte, wurde es
ihm nicht leicht, sich zu orientieren. Er begann bereits zu
frösteln, als er den Warmluftvorhang passierte und sich damit
unter der temperierenden Riesenüberdachung befand.
Glücklicherweise sollte die Wohnung der Higgs in diesem
zentralen Stadtgebiet liegen.
    Sylvester ärgerte sich über die Städteplaner, die es nie und
nirgends fertig brachten, die Gebäude eindeutig
den
Straßenzügen zuzuordnen und eine vernünftige Nummerierung
anzuwenden.
    Schließlich stand Sylvester vor einem riesigen prismatischen
Block – einem Experimentalbau –, auf dessen Flanken wie
regelmäßige kubische Kristalle die Wohnungen prangten,
farbig und mit viel Grün drapiert.
    Sylvester kannte aus den Veröffentlichungen den Aufbau
derartiger Siedlungen mit der Einwohnerzahl einer Kleinstadt,
er wusste, dass sich im Inneren des Prismas Produktionsstätten,
Versorgungstrakte und Verkehrsanlagen befanden. Aber so
gewaltig hatte er sich das alles nicht vorgestellt. Dabei wurde
er des Bauwerks erst ansichtig, als er unmittelbar davor stand,
weil das Prisma aus einem Wald hoher Bäume und aus
Strauchwerk hervorstieg. Die Pflanzen existierten sicher vor
zehn Jahren noch nicht, wirkten nun aber, wuchsmutiert, wie
hundertjährig.
    Obwohl Sylvester ebenfalls bekannt war, dass eine
programmierte Innenorientierung und Fahrautomatik den
Besucher zu dem gewünschten Korridor brachte, benutzte er
den Außenschrägaufzug, der jeweils zwei Wohnmatrizen
voneinander trennte. Den Architekten war es gelungen, einen
nahtlosen Übergang vom Park zu den in den unteren Trakten
des Prismas befindlichen Stätten der Versorgung und
Naherholung zu gestalten.
    Im zeitigen Frühjahr sprossen dank der Kuppel im Herzen
Westsibiriens subtropische Pflanzen. Das hätten sich die Alten
nicht träumen lassen.
    Die gläserne Fahrkabine gestattete, je höher sie stieg, einen
sich ständig weitenden Blick über die Stadt.
Sylvester bedauerte jetzt, dass Alina ihn nicht begleitete. Er
beschloss, noch am selben Tag mit ihr ein hochgelegenes
Restaurant aufzusuchen.
Links und rechts vom Schrägaufzug standen wie an einem
Gebirgshang inmitten von Grünanlagen die Wohnkuben, vor
jedem eine auf das raffinierteste individuell im Wettbewerb
mit dem Nachbarn gestaltete Terrasse. Sylvester hatte
tatsächlich den Eindruck, der Lift fahre durch eine Siedlung
von Einfamilienhäusern früherer Bauart, die, der Sonne
zugewandt, den Hang eines Berges schmückten.
Viel Einblick in die Freizeitbereiche der Wohnstätten gewann
er nicht; geschickt angelegte Hecken, Stelen, Plastiken und
Vasen verhinderten das. Dann hatte Sylvester die 33. Zeile
erreicht, in der rechts vom Aufzug gelegenen Wohnung sollte
die Higgs leben. Vom Fahrstuhl aus führte ein kiesbestreuter
Weg dorthin. Und nach einer Biegung in einer breiten
Taxushecke stand Sylvester vor der Terrasse. Er sah sich um:
im Hintergrund die Glasfront des Hauses mit zugezogenen
Vorhängen, links und rechts der Terrasse Hecken und
Einzelpflanzen, üppig, aber ein wenig ungepflegt. Zweifellos,
die Higgs befand sich nicht hier, schien offenbar seit längerer
Zeit abwesend zu sein.
Sylvester erfuhr, dass Conny Higgs am Amursker Meer
arbeite und in dieser Zeit höchstens vier- oder fünfmal die
Wohnung für einige Tage benutzt habe. Wann sie wieder
einmal anwesend sei, wusste mit Bestimmtheit niemand zu
sagen. Mit einem zweiten Nachbarn ergaben sich über diesen
Punkt Meinungsverschiedenheiten. Einig waren sie sich jedoch
darin, dass Conny Higgs ein vergnügtes Mädchen sei und man
es bedaure, dass sie die abendlichen Plausche nicht bereichere.
Sie habe ein großes Repertoire von Schnurren, erzähle

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