Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Marsfrau

Die Marsfrau

Titel: Die Marsfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
Vom Netzwerk:
Alexej
empfand, ein Teil der inneren Anteilnahme fehlte. Und was
überhaupt nicht mehr da war: das schwärmerische
Mitteilungsbedürfnis.
    Nun, Alexej litt unter diesem Zustand nicht. Sie kannten sich,
nahmen Rücksicht, waren aufeinander angewiesen. Aber nun
fehlte etwas – oder es gab Zusätzliches!
    Begonnen hatte es mit Macs videophonischer Umfrage, mit
seiner spontanen Arbeitszeitverlagerung bis hin zu dem
mysteriösen Abguss der Füße. Dieses Rätselhafte stand in der
Station wie eine unsichtbare Wand zwischen ihnen. Und das
Schlimmste: Der Zustand schien so weit fortgeschritten, dass
sich keiner aufraffen konnte, ihn durch den Versuch klärender
Worte zu beenden.
    „Zu blöd“, sagte Alexej. Er löschte den Plan, trat ans Fenster
und blickte hinaus, ohne bewusst etwas zu sehen. „Und ich
habe mich bereits gehörig anstecken lassen!“ Er dachte an die
eigene Umfrage, die er gestartet hatte, und immer wieder an
die Füße, die noch immer in der Ablage unter Macs Tisch
lagen und von deren Vorhandensein sich Alexej täglich
überzeugte.
    Alexej trat heran, wog das Paket in den Händen, fand sich
albern und schob es wieder an seinen Platz.
Dann starrte er erneut hin zum Roten Felsen, und erst
Minuten später gewahrte er, dass es regnete. „Sie haben es also
doch geschafft!“, murmelte er. „Teufelskerle!“ Und er
empfand Hochachtung vor den Wettertechnikern.
Mechanisch, aus dem Unterbewusstsein heraus, zog er erst
langsam, dann immer hastiger die kleine Ausrüstung über, hielt
unschlüssig den wasserdichten Umhang in der Hand, warf ihn
zurück. Dann eilte er hinaus, aus Angst, der Regen könnte in
dieser Minute aufhören.
Alexej verstieß gegen die Vorschrift, als er sich nicht
vergewisserte, ob die Automatik die Tür ordentlich ins Schloss
zog. Er rannte einige Schritte vom Gebäude weg, dann klappte
er die Halbmaske herunter, stand mit gegrätschten Beinen und
erhobenen Armen und ließ sich den Regen über das
emporgereckte Gesicht rieseln.
Alexej sah nicht die geometrisch abgezirkelten Wolken,
vergaß die Eintönigkeit der Landschaft. Er hielt die Augen
geschlossen. Und ihm war, als mische sich in das Rauschen
des Regens das Wispern der Birken, als schwirrten Vögel
ihrem Unterschlupf zu, als surrten hungrige Mücken.
Alexej fühlte sich in die Taiga versetzt. Er glaubte das
warnende, schweigenerheischende „Pst“ des Großvaters zu
vernehmen, das den unerfahrenen neunjährigen Enkel auf eine
scheue Besonderheit aufmerksam machte, auf einen flinken,
possierlichen Burunduk, der im Schutz eines Gebüsches den
Regen abwartete, aber doch neugierig Männchen machte, ein
„Pst“ aber auch, das durch eine vordere Zahnlücke, die der
Großvater aus Prahlerei nicht schließen ließ – angeblich hatte
ein gefangener Tiger sie ihm geschlagen – eine besondere,
unnachahmliche Klangfarbe erhielt.
Alexej genoss einen Augenblick den gutmütigen Neid der
Mitschüler, wenn er zum Ferienende gebräunt, manchmal auch
ein wenig zerschunden wieder unter ihnen weilte.
Dann fand Alexej in die Wirklichkeit zurück. Ein helles
Sirren zu seinen Füßen machte gebieterisch auf sich
aufmerksam. Eine der großen Hummeln versuchte sich aus
dem klebrigen Schlamm des Weges zu befreien.
Alexej zog das darüber durchaus nicht besänftigte Tier aus
dem Schmutz und brachte es im Pflanzengewirr neben dem
Weg in Sicherheit. Dann schritt er gelöst in Richtung des
Roten Felsens, ungeachtet der Nässe, die ihm bereits in den
Nacken lief und die Beinkleider an die Schenkel klebte.
Alexejs Gedanken liefen träge. Sie wechselten von der Taiga
zum Mars zurück, wobei der Mars außerordentlich schlecht
abschnitt.
Als er zur ersten Wegkreuzung gelangte, die zu den nächsten
Arealen überleitete, sah er auf.
Noch regnete es in gleicher Intensität. Wie hinter einem
Schleier lag die Umgebung, aber der Hang des Roten Felsens
hob sich aus dem Grün heraus, und kein Zweifel, dort in der
Ferne stand ein Mensch in den Hügeln, dicht an einem der
großen Brocken. Es fiel Alexej schon deshalb auf, weil diese
Gegend im Lauf der Monate so zum stereotypen Bild
geworden war, dass die kleinste Unregelmäßigkeit sofort ins
Auge stach. Dieses Unregelmäßige dort am Horizont war Mac.
Auch daran zweifelte Alexej nicht. Er sah die Gestalt im Profil.
Und die Regenumhänge, die in den Stationen zur Ausrüstung
gehörten, verunstalteten derart typisch, dass ein Irrtum
ausgeschlossen war.
Aber niemals hätte Alexej der Anblick Macs in irgend

Weitere Kostenlose Bücher