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Die Marsfrau

Die Marsfrau

Titel: Die Marsfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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murmelte noch gerade
verständlich „Augenblick“ und ließ ihn vor dem Arbeitstisch
stehen.
    Dann sah sie auf, wies auf einen Stuhl und fragte: „Ja? Was
kann ich für dich tun?“
Die Frage klang gleichgültig, ein wenig unwillig, so als störe
der Besucher mit Belanglosigkeiten wichtige, unaufschiebbare
Arbeiten.
,Kein Wunder, dass ich stotterte’, erinnerte sich Allan. Und
erneut erfasste ihn Ärger über sich selbst.
Ja, und dann hatte sie ihn mit Ruhe angehört, und er konnte
sich des Eindrucks nicht erwehren, mehr aus Höflichkeit denn
aus Interesse. Nur einmal kniff sie die Augen zusammen, als er
schilderte, wie er die Kulturen der Faunella in jener
Sturmnacht vorgefunden und er die Ursache des
Zugrundegehens verschleiert hatte.
Als er seinen Bericht mit der ungeheuerlichen
Selbstanschuldigung, dass er sein Handeln damals für die
Ursache von Annes Weggang und damit indirekt ihres Todes
halte, beendet hatte, saß Ramona-Ros lange – so lange, dass es
begann, peinlich zu werden – wie in sich gekehrt, sah offenbar
nichts und sagte nichts.
Und während dieses Schweigens brach über Allan seine
ganze Erbärmlichkeit herein. Ihm wurde klar, dass er den
Entschluss, sein Vergehen darzulegen, immer noch mit einem
gewissen Heroismus, einer angeberischen Selbstzerfleischung
versehen hatte, dass sein Handeln damals mit einer
übermenschlichen, den Weitblick trübenden Zuneigung zu
Anne verbrämt worden war.
Ramona-Ros kam ihm alt und verfallen vor. Und – obwohl
Jahre verflossen waren – er hatte den Eindruck, als sei dieses
Gesicht noch jetzt gezeichnet von Schmerz und Trauer um die
verlorene Tochter. Ihm wurde erneut bewusst, dass Anne ihr
Ein und Alles gewesen war.
Und als sich Allan, siedendheiß vor Scham und
Schuldgefühl, in einen Zustand hineingesteigert hatte, aus dem
heraus er am liebsten auf und davon gerannt wäre, fragte
Ramona-Ros mit leicht brüchiger Stimme, aber überraschend
ruhig, beinahe teilnahmslos: „Warum erzählst du mir das alles,
Nagy? Warum jetzt? Damit ich weiß, dass es einen Strolch
mehr auf dieser Welt gibt? Was ändert es!“ Sie zuckte mit den
Schultern.
Und Allan wurde sich klar: Sie hat es die ganze Zeit gewusst,
geahnt! Anne hatte es auch vermutet, warum sonst hätte sie
sich damals spontan von ihm abgewandt? Sie hatte mit der
Mutter gesprochen!
Allan Nagy wäre es lieber gewesen, Ramona-Ros hätte
losgepoltert, hätte geschrieen, ihn mit Vorwürfen überschüttet.
Auch Tränen wären ihm normal erschienen. Er begann zu
zweifeln, ob er richtig gehandelt hatte, als er zu Ramona-Ros
gegangen war, ob es nicht besser gewesen wäre, gleich die
Institutsdirektion aufzusuchen oder den Rat. Aber es war ihm
wichtig gewesen, Annes Mutter als Erste zu informieren. Sie
hatte ein Recht darauf.
Wieder war eine Pause entstanden. Ramona-Ros sah ihn nicht
an. Sie blickte aus dem Fenster in die Ferne. Schwer hing ihr
massiger Körper im Sessel.
Allan wurde unsicher. Er hatte gesagt, was aus seiner Sicht
zu sagen gewesen war. Sollte er nun gehen?
Langsam drehte die Alte ihm das Gesicht zu. „So einfach
kommst du nicht davon, aber das ist dir klar.“ Sie erhob die
Stimme kaum. „Ich trage das dem Rat vor.“
Sie achtete nicht auf sein zaghaft eingeworfenes: „Damit
habe ich selbstverständlich gerechnet“, sondern fuhr fort: „Was
daraus entsteht, ist dessen Sache. Mir ist das gleichgültig.“
Und der Ton und ihre Haltung unterstrichen diese Aussage.
Dann straffte sie sich, stützte sich mit nach innen gekehrten
Handflächen auf den Tisch, sah ihn voll an und sagte hart:
„Wenn man mich aber fragt, Freund, dann wirst du hier
eingebaut. Wenn du die Faunella gebremst hast, dann bringst
du sie wieder mit ins Laufen!“ Ramona-Ros sprach sich in
Rage; ihr Ton wurde sarkastisch. „Du würdest den ersten
Großversuch durchführen, und ich würde dafür sorgen, dass es
kein Zuckerlecken für dich wird.“ Sie lehnte sich zurück, fiel
in sich zusammen. „So, jetzt kannst du gehen. Du hörst von
mir, bald. Halte dich also hier auf.“
Allan hatte wie betäubt die Tür zugezogen. Er war durch den
Verwaltungstrakt gegangen, sah Vertrautes oder in den sieben
Jahren Verändertes. In der Lage, einen klaren Gedanken zu
fassen, fühlte er sich nicht. Es dauerte eine Weile, bis er
begriff, was sie gemeint haben könnte. Er sollte wieder an der
Züchtung der Faunella mitarbeiten… Ihn durchströmte so
etwas wie Freude und – Beschämung.
Er hatte dem Sekretär seine Hoteladresse

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