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Die Marsfrau

Die Marsfrau

Titel: Die Marsfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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bereit, versuchte, eingedenk der
eigenen, die Schwächen anderer zu verstehen.
Aber – hol’s der Teufel – diesen Nagy mochte er nicht. Und
die Unverschämtheit mit den Schweinen zeigte ihm eigentlich
nur, dass er ihn richtig eingeschätzt hatte. Nagy war für
Sylvester ein unberechenbarer Trotzkopf, kurz, ein unreifer
Mensch. Einer, der für seine egozentrischen Wünsche sogar
gegen allgemein akzeptierte Normen verstößt
– das
Angedeutete wies in diese Richtung –, passt nicht dahin, wo
wissenschaftliche Pionierleistungen erwartet werden.
Aber genau das war der Punkt, über den Sylvester in seinen
Überlegungen nicht hinwegkam. Niemand hatte Nagy
gezwungen, ans Institut zurückzukehren und Erklärungen
abzugeben. Im Gegenteil, es sah doch vor kurzem noch so aus,
als wolle er von dem, was mit dem Institut zusammenhing,
nichts wissen. Ja, er hatte doch alles getan, um die Arbeiten zu
behindern. Und nun sollte ausgerechnet er es sein, der sie um
einen beträchtlichen Schritt nach vorn bringen würde? Warum
war er gekommen, was bezweckte er damit? War es, weil er
die Arbeiten noch besser stören konnte? Daran konnte
Sylvester nicht glauben, schon deshalb nicht, weil Nagys
Handeln hier kritischer betrachtet werden würde, als das jedes
anderen. Also was dann hatte ihn hergetrieben? Und so viele
Bedenken und Gründe Sylvester auch zitierte, es blieb bei aller
Skepsis eigentlich nur ein Motiv: Nagy meinte es ehrlich!
Mit diesem Ergebnis seiner Überlegungen war Sylvester
durchaus unzufrieden. Es ließ ihn aber zu seiner Grundhaltung
zurückkehren: Kein vorschnelles Urteil, den Mann kennen
lernen! Dass Nagy in diesem Test schon Minuspunkte hatte,
bedeutete lediglich, es war angebracht, ihm mit einem
berechtigten Misstrauen zu begegnen. Und so wollte er es auch
halten.
Sylvester, einigermaßen mit sich im Reinen, weil er glaubte,
seine Verhaltensnorm gefunden zu haben, hatte sich kaum
bequem gesetzt und sich die Papiere vorgenommen, als an die
Tür geklopft wurde. Nicht eben sehr erfreut rief er „Herein!“,
entschlossen, sich nicht stören zu lassen und den Besucher
schnell abzuwimmeln. Er drehte deshalb auch nur den Kopf
ein wenig.
„Gestattest du?“ In der offenen Tür stand Nagy.
Das Einzige, was Sylvester überrascht zu Wege brachte, war
eine Drehung des Körpers. Er saß dem Besucher nun
zugewandt, und es klang erstaunt, als er sagte: „Ja – bitte!“
Nagy schloss die Tür, blieb aber stehen. Vielleicht hatte er
die nur angedeutete Handbewegung Sylvesters zu einem Sessel
hin übersehen.
„Ich möchte mit dir reden“, begann Nagy offen und ohne
Umschweife. „Ich denke, es ist nötig.“
Sylvester fühlte sich unbehaglich, überfahren und eigenartig
wehrlos. Er zog die Stirn in Falten, eine vernünftige Reaktion
auf diesen Überfall fiel ihm schwer. „Wenn du meinst“,
antwortete er, und er bemühte sich um einen neutralen Tonfall.
„Ich habe natürlich nichts dagegen. Allerdings“, er wies auf
den Materialstapel vor sich, „du hast gehört, dass ich in Verzug
bin.“
„Nicht jetzt“, entgegnete Nagy. „Darf ich dich – heute Abend
besuchen, im Quartier vielleicht? Ich möchte es nicht gern
aufschieben, dich aber jetzt nicht stören.“
„Warum nicht? Quartier siebzehn im Appartementhaus, um –
siebzehn Uhr?“, erwiderte Sylvester zögernd.
„Danke“, sagte Nagy. „Ich werde dich nicht lange aufhalten.“
Und damit verließ er das Zimmer, einen nunmehr verdutzten
Sylvester zurücklassend, der auf einmal wünschte, dass der
Tag schon fortgeschrittener wäre, eine Weile
gedankenversunken vor sich hin starrte, sich dann aber
schulterzuckend über die Unterlagen hermachte. Und in kurzer
Zeit hatte er Nagy und seine Umgebung vergessen. –
    Alexej Bolscha war in Bedrängnis geraten, in zweierlei
Hinsicht: Er fürchtete täglich mehr, dass Mac ihn entdecken
würde, und er meinte auch, seine anstrengenden Recherchen
körperlich nicht lange durchhalten zu können. Täglich, bevor
Sunnyboy aufging, hetzte er an der Westgrenze des
Stationsgebietes entlang bis zu den Felsen, gar nicht so sehr
darauf bedacht, während des Hinwegs in Deckung zu sein. Er
wusste, dass Mac auf der ihm abgewandten Seite der
Regenmaschine stand und die Grüne erwartete, dass er dann
für seine Umgebung weder Auge noch Ohr hatte. Es ließ sich
also für Alexej verhältnismäßig leicht an, sich hinter der
Felsnase zu verstecken und zu beobachten.
    Schlimmer gestaltete sich der Heimweg. Alexej
musste,

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