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Die Marsfrau

Die Marsfrau

Titel: Die Marsfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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Sie
blickte einen Augenblick erstaunt, folgte dann aber zögernd
seiner durch Gesten angedeuteten Einladung, sich auf das
Chassis der Maschine zu setzen. Dann streckte sie sich wohlig
der Sonne entgegen und ließ sich von Sunnyboys Strahlen
trocknen. Sie schien Mac vergessen zu haben.
    Der saß neben ihr, hatte das Kinn aufgestützt, warf ab und an
einen Blick auf sie und wartete offenbar geduldig auf ihre
weiteren Aktivitäten.
    Als die glitzernden Wasserperlen von ihrer Haut
verschwunden waren, bot Mac ihr Creme an, und in kindlicher
Freude verrieb sie diese über ihren Körper. Wieder machte
Mac ihr vor, dass sie vor allem ihre zerschundenen Beine und
Unterarme einreiben sollte. Er gestikulierte und sprach
eindringlich auf sie ein. Sie lachte und gurrte und benahm sich
offensichtlich sehr kindisch.
    Bei alldem fiel Alexej auf, dass Mac es vermied, sie zu
berühren. Es schien, als hätte er sich selbst eine Schranke
gesetzt. Und wenn er es tat, um mit einem Tuch Wasser
abzutupfen oder ein Klümpchen Creme zu verreiben, dann tat
er es behutsam wie -. Alexej drängte sich dieser Vergleich auf
– eine Mutter bei ihrem Baby.
    Und Alexej musste sich eingestehen, dass er hierin Mac
verstand. Dort stand eine wohlgewachsene Frau – aber die sah
auch er bereits nach den ersten Stunden nicht mehr in ihr. Er
empfand grenzenloses Mitleid mit einem Wesen, das hilflos,
entwurzelt, allen Naturunbilden preisgegeben war.
    Es gab Augenblicke, in denen Alexej seinen Gefährten
deshalb beneidete, weil es diesem möglich war, dieses
Lebewesen zu umsorgen. Alexej war zu sich selbst so ehrlich,
dass er sich eingestand, dass Mac dieses Gefühl der Sorge und
des Mitleids wahrscheinlich viel tiefer empfand als er.
    Alexejs Aufmerksamkeit kehrte zum Geschehen an der
Maschine zurück. Die Grüne nahm schon weniger zögernd als
Tage vorher von Mac Speisen entgegen, deren Konsistenz
Alexej von seinem Standort aus nicht bestimmen konnte. Sie
stopfte sie mit beiden Händen in den Mund. Auch heute
spuckte sie große Mengen davon wieder aus, lachte
dazwischen, geduldig von Mac beschwichtigt. Und dann, wie
jedes Mal, schien der Mann für sie nicht mehr zu existieren.
Sie sprang abrupt davon und hatte, noch ehe Mac reagierte,
etliche Meter zurückgelegt. Diesmal machte er keine
Anstalten, ihr nachzueilen. Er stand – und auch das hatte
Alexej schon beobachtet – einen Augenblick wie ein Kind da,
dem das Spielzeug fortgenommen worden ist.
    Dann vergrub Mac die Speisereste. Für Alexej wurde es
höchste Zeit, sich auf den Weg zu machen.
Dieser Tag hatte ihm die letzte Gewissheit gebracht: Das
Wesen war irr! Keine Frage! Und so wie Mac es anstellte, ihm
näher zu kommen, ging das nicht. So half man ihm
keineswegs. Es blieb Dilettantismus, war bestimmt zu
behutsam und zurückhaltend. Niemandem wurde so ein
Gefallen getan. Die Frau war ein vernunftbegabtes Wesen,
allerdings ein schwachsinniges, und sie brauchte eine
vernünftige ärztliche Behandlung!
Alexej empfand die Frage nach dem Ursprung, nach der
Herkunft der Grünen angesichts ihrer geistigen Verwirrung als
sekundär. Dennoch hatte er sich diese Frage etliche Male
gestellt, vor allem, inwieweit es anmaßend sei, das Wesen als
irr – mit menschlichen Maßstäben gemessen – anzusehen.
Wenn sie vielleicht nicht irdischer Herkunft war, konnte es da
nicht sein, dass ihre Lebensäußerungen, ihr Gebaren, ihre
ganze Art, sich zu geben, jenseits des menschlichen
Verständnisses lagen? Alexej erinnerte sich an Berichte, nach
denen sich Urvölker, die im Verborgenen gelebt hatten, den
Entdeckern gegenüber auch sehr merkwürdig verhalten haben
sollen. Er war überzeugt: ein Mensch, ein bedauernswerter.
Ihre Grünfärbung, ihre Heimstätte auf dem Mars und ihre
Lebensbedingungen bildeten in Alexejs Augen nicht das
Problem, obwohl Kenntnisse davon wohl dazu beitragen
würden, das Rätsel zu lösen. Und er stellte fest, dass er nach
fünf Tagen wahrscheinlich genau so viel wie Mac über die
Unbekannte wusste, obwohl der schon wochenlang mit sehr
mäßigen Fortschritten schüchterne Kontaktversuche betrieb.
Alexejs Atem ging im Rhythmus seines Laufschritts, aber er
fühlte sich
frisch, zumal die Strahlen von Sunnyboy ihm
bereits ohne Kraft schräg entgegenkamen. Und er nahm sich
vor, dass dies der letzte Tag gewesen sein sollte, an dem er
sich Macs Getue angesehen hatte. Hier musste etwas passieren,
etwas Einschneidendes. Aber was passieren musste, wusste
Alexej nicht. –
    Sylvester Reim

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