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Die Marsfrau

Die Marsfrau

Titel: Die Marsfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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war sich nicht im Klaren darüber, wie er Nagy
empfangen sollte, kühl und förmlich oder so, als sei nichts
gewesen – wie er es sich eigentlich vorgenommen hatte. Er
wollte sich nicht anmerken lassen, dass er Vorbehalte hegte
und ihm nichts an persönlichen Kontakten lag. Ausgerechnet
Nagy war der erste Besucher in seiner Appartementwohnung.
    Nagy kam pünktlich. Er tat steif, setzte sich nicht in den
bequemen Sessel, den Sylvester ihm anbot, sondern auf einen
Stuhl. Er lehnte ab, etwas zu sich zu nehmen, und er sagte
ohne Umschweife: „Ich bin dir eine Erklärung schuldig.“
Dabei sah er Sylvester nicht an.
    Sylvester zuckte mit den Schultern.
Nagy blickte auf. „Doch, doch“, bekräftigte er und lächelte
mühsam. „Ich bin zwar froh, dass ich bei euch mitmachen
kann, nur es war ursprünglich nicht meine Absicht. Aber – und
deshalb habe ich dich um dieses Gespräch gebeten – ich
möchte unsere Zusammenarbeit nicht durch Vorbehalte
belasten. Und du müsstest durch – durch unseren Kontakt in
der Farm“, wieder lächelte Nagy, „die schlechteste Meinung
von mir haben. Nun, ich will das nicht wegwischen, nichts
beschönigen…“
Sylvester unterbrach ihn: „Ach, weißt du, so tragisch habe ich
das nicht empfunden. Unter die Haut ist es mir nicht
gegangen.“ Er schlug einen unpersönlichen Ton an. „Mich
wunderte nur, dass es so etwas heute noch gibt. Im Übrigen
haben wir für solche Dinge Gremien.“
Nagy schwieg. Sichtlich fehlte ihm der Faden. Er biss sich
auf die Lippen, die Pause wurde länger.
„Nun, ich denke, wir trinken doch einen Tropfen!“ Als
Sylvester mit der Flasche und zwei Gläsern zum Tisch
zurückkam, sagte Nagy: „Trotzdem, ich wünsche, dass du alles
weißt, dass du weißt, mit wem du es zu tun hast. Wenn du es
für richtig hältst und es dir nicht lästig ist, sprich auch mit den
anderen darüber!“
„Dass du mich mit den Schweinen geärgert hast, kann doch
nicht allein der Grund sein, gerade mit mir…“ Sylvester spürte
noch immer kein Verlangen, Nagy anzuhören und damit etwa
dessen Vertrauter zu werden. Er sah jedoch keine Möglichkeit,
sich dagegen zu sträuben, wenn er nicht sehr unhöflich
erscheinen wollte. Aber der Ton seiner Entgegnung war, wie er
meinte, deutlich genug.
Nagy ließ sich nicht beirren. „Die anderen kenne ich noch
weniger.“ Er trank nach einer stummen Aufforderung einen
Schluck. „Außerdem bin ich eigentlich – deinetwegen hier.“
Als er Sylvesters gerunzelte Stirn sah, fügte er hinzu: „Das
heißt, du hast mich indirekt veranlasst, zu kommen.“
Sylvester lehnte sich in seinem Sessel zurück. Er erwiderte
nichts, sein Gesicht zeigte jedoch Überraschung.
Dann begann Nagy. Und nach den ersten Sätzen glaubte
Sylvester, dass er es ehrlich meinte. Je mehr Nagy sprach,
desto aufmerksamer wurde Sylvester.
Nagy redete zunächst leise, betont sachlich. Aber mehr und
mehr wurden seine Worte leidenschaftlicher. „… ich dachte,
ich komme darüber hinweg in all den Jahren. Weißt du – dass
die Kulturen abgestorben, damit die Ergebnisse jahrelanger
Arbeit in einer Stunde vernichtet waren, störte oder reute mich
nicht eine Minute. Im Gegenteil, anfangs freute ich mich
darüber, später wurde es mir gleichgültig. Ich war sogar ein
wenig stolz auf mich, jawohl, weil keiner von den Experten,
und es waren damals ihrer viele hier, die Ursachen des
Kulturensterbens erkannt hatte.
Hätte mich damals jemand entdeckt, wäre sicher vieles
anders gekommen. Ich wollte Anne das Spielzeug wegnehmen,
weiter nichts. Für mich sollte sie da sein.“ Nagy zuckte mit den
Schultern, dann lächelte er bitter. „Leute, die verliebt sind,
sollen mitunter zu Egoismus neigen. Warst du verliebt?“ Er
fragte das ernsthaft, sodass Sylvester, überrumpelt, nichts
weiter zu antworten wusste als ein nicht eben überzeugendes:
„Doch, doch!“
Allan Nagy sah ihn mit schräg gehaltenem Kopf an und sagte
zweifelnd: „Na?“ Dann winkte er ab. „Ich war jedenfalls so!“
Er machte eine Pause und fuhr dann sehr ernst fort: „Aber dass
Anne so darauf reagierte, habe ich nicht gewollt. Erst dachte
ich, sie sei mir gram, weil – eben ihr Spielzeug nicht mehr
existierte, weil die Kommission die Arbeiten stoppte. Ich
glaube, sie war damals mit aller Welt böse. Ich tröstete sie,
falsch, wie ich heute weiß, so, dass sie vielleicht Verdacht
schöpfte. Ich glaube, sie begann mich zu hassen, weil ich mich
schließlich über ihren Schmerz lustig machte. So

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