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Die Marsfrau

Die Marsfrau

Titel: Die Marsfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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sondern nach meiner Meinung eine Reihe ungeklärter
Umstände.“
„Ungeklärte Umstände? Sag’, was weißt du davon?“ Nagy
hatte den Ordner zugeschlagen, dass der Geruch des
imprägnierten Papiers in die Nase stieg. Er hatte Reim voll
angesehen, und seine Worte klangen fordernd.
„Zufall, natürlich interessiert mich das auch, zumal man
ständig auf das Wirken dieses Mädchens stößt. Von der Higgs
weiß ich etwa, was für ein Mensch sie war, wie sie sich gab,
fröhlich, kameradschaftlich – du hast es ja auch angedeutet.
Die Papiere sprechen von Arbeitselan, Eifer und
Durchhaltevermögen. Eine bewundernswerte Frau. Ich habe
einfach bei einer Gelegenheit Ramona-Ros gefragt, und sie hat
freimütig darüber gesprochen.“
„Also – was für Umstände!“
„Sie soll für den Tagesausflug, zu dem sie sich abgemeldet
hatte, eine ungewöhnlich umfangreiche Ausrüstung
mitgenommen haben. Genau ließ sich alles im Einzelnen nicht
überprüfen, aber damit begründete man, weshalb die
Suchaktion ziemlich spät begann, sie soll für ungefähr eine
Woche Lebensmittel, einschließlich Sauerstoff, versteht sich,
mitgeführt haben. Dazu Nacht- und Waschzeug. Leute, die sie
aufbrechen sahen, konnten sich an einen riesigen Rucksack
erinnern. Außerdem hätte sie – aber darüber sind die Angaben
am widersprüchlichsten – Navigationsgerät getragen, einen
Handkreisel und eine Kartentasche.“
„Aber, Syl, das alles spricht doch für den Unfall!“
„Schon. Aber warum hat sie sich nur für einen Tag
abgemeldet? Und – was du nicht weißt – es ist möglich, dass
sie eine Zucht der C vierzehn mitgeschmuggelt hat.“
„Der C vierzehn!“ Nagy hatte fieberhaft überlegt. „Die über
die Blutbahn aggressiv fusionieren…“
„Aus alldem könnte man schlussfolgern, dass sie etwas
vorhatte, von dem andere zunächst nichts wissen sollten. Das
alles schließt freilich den Unfall nicht aus, könnte allerdings
ein Ausbleiben über den Tag hinaus erklären. Das, Allan, ist
meine Spekulation. Die Alte denkt so nicht oder nicht mehr.
Sie hat, glaube ich, ihren Frieden gemacht.“
„Und das alles hat sie dir erzählt?“
„Nicht alles, einiges habe ich hinterher – besorgt.“ –
    Ein besonders lautes Quieken eines der Ferkel brachte Nagy in
die Wirklichkeit zurück. ,Ich muss dorthin, muss zum Mars, so
schnell wie möglich!’ Und er begann Kraftfutter einzustreuen,
mehr als genug, als könnte er damit den Abstand bis zum
Abreisetag verkürzen.
    Einmal lachte er vor sich hin. Ihm hatten sie zur
Wiedergutmachung den Großversuch übertragen. Das hieß
konkret: mindestens für zwei Jahre in die Wüste. Und nun, seit
er wusste, dass dieser Versuch auf dem Mars stattfand, war es
zum sehnlichsten Wunsch geworden, diese Arbeit so schnell
wie möglich aufzunehmen.
    Ein wenig bedauerte er, dass niemand aus dem Team des
Instituts dort mit dabei sein, dass er wahrscheinlich tage- und
wochenlang allein sein würde. Er fürchtete sich keineswegs
vor der Einsamkeit, jahrelang hatte er sich daran gewöhnt. Es
ging ihm nahe, von Menschen getrennt zu sein, die ihm
wertvoll geworden waren, die er trotz aller Vorbehalte, die sie
berechtigterweise noch gegen ihn hegen mochten, schätzte.
Und er hatte das Gefühl, dass sie sich ehrlich um ihn mühten,
ohne aufdringlich zu sein, ja, er meinte sogar, dass sich alle so
gaben, wie Reim es einmal formulierte: Sie beurteilten ihn
nach dem, was er tat, und nicht nach dem, was war.
    Nur Ramona-Ros machte offenbar eine Ausnahme. Sie
vermied jedes persönliche Gespräch und alles, was an früher
erinnern konnte. Sie gab sich ganz dienstlich, wenn sie
gelegentlich rundum ging oder sich vor dem Team berichten
ließ. Ihre Reserviertheit, die er durchaus verstand und
akzeptierte, frischte immer wieder dieses verfluchte
Schuldgefühl auf – aber gleichzeitig auch, in zunehmendem
Maß, ein starkes Bedürfnis zur Wiedergutmachung. Es schien,
als ob die anderen auch das rückhaltlos verständen. Niemand
wunderte sich, dass er zeitweilig sein Quartier in einem der
Wachzimmer aufschlug, dass er wochenlang nur für sich und
mit der Arbeit lebte. Jedem war klar, dass es vom Geschick des
Operateurs abhing, in kurzen Zeiträumen genügend Stämme
der Faunella für die Großversuche zur Verfügung zu haben.
Und je mehr sich bei Nagy die Sehnsucht steigerte, dort zu
sein, wo Anne ihre letzten Stunden zugebracht hatte, desto
größer wurde seine Arbeitswut, desto mehr beflügelte sie seine

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