Die Maschen des Schicksals (German Edition)
sie misstrauisch.
Schweigen folgte.
„Meinen Sie jetzt?“, erkundigte sich Bethanne.
„Nein“, kam die Antwort sofort. „Wie wäre es heute Nachmittag? Nach fünf?“
„Okay.“ Bethannes Terminkalender war leer. Während der Scheidung hatten sich ihre Freunde sehr um sie bemüht und sie unterstützt. Sie hatten sie jedoch nicht mehr zu sich eingeladen. Die meisten Treffen in diesen Kreisen fanden zwischen Paaren statt, und als neuerdings alleinstehende Frau – als unfreiwillig alleinstehende Frau – war sie zur Außenseiterin geworden. Außerdem nahm sie an, dass Tiffany bei diesen Abendessen und Partys jetzt ihren Platz einnahm. Gerade jetzt, da sie ihre Freunde am meisten brauchte, zogen sie sich zurück.
„Würden Sie mit mir zu Abend essen? Ich lade Sie ein.“ Er klang unsicher, als erwarte er, dass sie ablehnte.
„Das wäre nett“, sagte sie spontan. „Wo sollen wir uns treffen?“
„Im Anthony’s, sagen wir um sechs? Ich werde Plätze reservieren lassen.“
Das Lokal war nicht weit vom Pike Place Market entfernt und in der Gegend als eins der besten Restaurants für Meeresfrüchte bekannt.
Bethanne bedankte sich und legte den Hörer auf, erfreut und verwirrt zugleich. Dies war kein Date im eigentlichen Sinne. Doch war es immerhin ihre erste Verabredung mit einem Mann nach zweiundzwanzig Jahren.
„Wer war das?“, wollte Annie wissen.
Aus irgendeinem unerfindlichen Grund zögerte Bethanne, es ihr zu erklären. „Ein alter Bekannter“, sagte sie schließlich.
„Und er will sich mit dir treffen?“, fragte ihre Tochter, als wäre das unvorstellbar.
„Meinst du, ich hätte nicht zusagen sollen?“ Bethanne überlegte sofort, ob es vielleicht ein Fehler gewesen war, auf Pauls Einladung einzugehen.
Annie zuckte die Schultern. „Ich weiß nicht. Warum fragst du mich das? Wer ist denn hier die Erwachsene?“
„Da hast du recht. Ich bin die Erwachsene und treffe mich mit … einem alten Bekannten.“
Als es Zeit wurde aufzubrechen, waren Annie und Andrew ausgeflogen. Deshalb hinterließ Bethanne eine Nachricht auf dem Küchentresen, so wie es ihre Kinder auch immer taten.
Sie musste in der Innenstadt irgendwo eine Parklücke finden, denn die Preise für Parkhäuser konnte sie sich nicht leisten. Glücklicherweise fand sie eine nur drei kurze Häuserblocks vom Restaurant entfernt. Als sie auf das „Anthony’s“ zulief, stand Paul Ormond bereits draußen vor der Tür und wartete. Er winkte ihr zu.
Sie schätzte Paul auf ungefähr Mitte dreißig. Er hatte dunkles Haar, braune Augen, ein freundliches Gesicht und einen leichten Bauchansatz. Wenn sie sich richtig erinnerte, arbeitete er in der City bei einer internationalen Versandfirma. Er trug Anzug und Krawatte. Sie war überrascht, dass die wundervolle Tiffany einen so mittelmäßig aussehenden Mann geheiratet hatte. Sie schätzte „Tiff“, wie ihr Ex seine Neue nannte, als eine sehr eitle Frau ein, für die das Erscheinungsbild ihres Mannes fast so wichtig war wie ihr eigenes.
„Danke, dass Sie gekommen sind.“ Paul öffnete die Tür zum Restaurant. Als er an den Tresen ging und der Kellnerin seinen Namen sagte, wurden sie sofort an ihren Tisch geführt.
Sie bestellten beide ein Glas Wein, und Paul blickte aus dem Fenster hinaus zur Bucht. „Sie werden sich bestimmt fragen, warum ich Sie angerufen habe“, begann er nach einer Weile. Komischerweise hatte sich Bethanne nicht unwohl gefühlt und auch nicht wie sonst den Drang verspürt, das Schweigen mit Small Talk zu unterbrechen.
Sie nickte. „Ich bin schon neugierig. Die Scheidungen sind jetzt schon ziemlich lange rechtsgültig.“
„So fühlt es sich aber für mich nicht an.“
„Für mich auch nicht“, gestand sie. „Ich …“ Sie wollte ihm erzählen, dass Grant sich weigerte, für Andrews Footballcamp zu bezahlen. Es ist nicht wichtig, sagte sie sich. Es ist wirklich nicht wichtig.
„Wann haben Sie von der Affäre erfahren?“, wollte er wissen.
Sie schämte sich, ihm die Wahrheit zu gestehen. „Erst als Grant es mir erzählte. Sie kennen ja den Spruch, die Ehefrau wäre immer die Letzte, die es bemerken würde. Wie war das bei Ihnen?“
„Ich wusste es fast von Anfang an“, erwiderte er. „Aber ich wollte es nicht wahrhaben.“
„Wie lange waren Sie mit Tiffany verheiratet?“
„Sechs Jahre. Zumindest vier davon waren gut. Dann traf sie Grant.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich glaube, im Grunde wusste ich, was los ist, als sie erklärte, noch
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