Die Maske
Sinclair. Ich aber denke an etwas anderes.«
»An was, bitte!« Durch ihre heftige Kopfbewegung war ich gezwungen, sie anzublicken.
»An sein Gesicht«, drang es leise über ihre Lippen. »Haben Sie sein Gesicht gesehen?«
Ich hob die Augenbrauen. »War es ein Gesicht?«
Innocencia stotterte. »Dann… dann denken Sie ähnlich wie ich, nicht wahr?«
Ich zündete mir eine Zigarette an. »Ja, das denke ich. Ich habe mich an die Worte Ihrer Mitschwester erinnert, die sie kurz vor ihrem Tod sprach. Sie redete von einer Maske. Was sich dort unter der Hutkrempe abzeichnete, war für mich kein Gesicht. Es war eine Maske, eine sehr ungewöhnliche sogar.«
»Sie sah so dick aus. Als hätte man die Maske auf die normale Haut gepappt. Was kann das gewesen sein?«
»Ich habe keine Ahnung. Nur das Blut schimmerte durch. Rote Farbe war es sicherlich nicht.«
»Dem Fuchs fehlte das Fell«, resümierte meine Begleiterin. »Man hat es ihm abgezogen. Die Gestalt wird das getan haben und steht nun mit dem Teufel im Bunde. Sie und ihre Helfer werden uns noch das Fürchten beibringen, davon bin ich überzeugt.«
»Zunächst einmal werden wir zum Kloster fahren und auch mit der Äbtissin sprechen.«
»Die wird uns für verrückt halten.« Die junge Nonne erschrak über ihre eigenen Worte. »Entschuldigen Sie. Manchmal mag ich Verrückte.«
»Wieso?«
»Man hat mich oft genug gefragt, ob ich nicht verrückt gewesen bin, in ein Kloster zu gehen.«
»Das kann vorkommen. Was antworteten Sie dann darauf?«
»Ich gab den Fragern recht, denn ich nahm ihnen damit den Wind aus den Segeln. Irgendwo ist man verrückt, wenn man sich der Masse entzieht. Aber nur so kann ich die Freiheit genießen, ob Sie es glauben oder nicht. Meine ganz persönliche Freiheit…«
Ich hatte eine Frage hinterherschicken wollen, ließ es jetzt bleiben, als ich die ehrliche Antwort gehört hatte. Komischerweise brauchte ich nicht erst groß über die Worte nachzudenken. Sie erschienen mir verständlich, und ich nickte.
»Stimmen Sie mir zu, Mr. Sinclair?«
»Ja. Vielleicht gehöre ich auch zu dieser Gruppe, die sich als verrückt bezeichnen können und dies als Kompliment auffassen werden. Ich weiß es nicht.«
»Das muß jeder mit sich selbst ausmachen«, sagte sie leise, um dann zu fragen: »Darf ich Sie John nennen?«
»Darum bitte ich.«
»Das hört sich besser an.«
Der Meinung war ich auch, fuhr wieder weiter und dachte, daß man vor den Idealen dieser jungen Nonne eine gewisse Hochachtung haben mußte…
***
Im Raum war es so still, daß ich die Äbtissin tief einatmen hörte. Sie saß hinter ihrem Schreibtisch, während wir standen, was nichts mit der Hierarchie zu tun hatte, wir wollten einfach nicht sitzen, um das Gespräch nicht noch länger werden zu lassen, denn Mitternacht war bereits seit mehr als zehn Minuten vorbei.
Die Äbtissin Clarissa hatte sich unseren Bericht angehört und auch unsere Wünsche mitbekommen. Sie war eine Frau mit sehr klugen Augen, wirkte alterslos, war von kleiner Gestalt und besaß einen Mund mit sehr weichen Lippen.
»Jetzt wollt ihr meinen Rat, nicht wahr?« fragte sie und schaute uns aus ihren klugen Augen an.
»Sicher, Schwester Clarissa…«
»Aber mein Kind. Es ist doch alles gesagt worden. Was soll ich da noch hinzufügen?«
Innocencia war plötzlich nervös geworden. »Sie… Sie haben nichts dagegen, Ehrwürdige Mutter?«
»Nein, wie sollte ich? Mr. Sinclair bleibt hier. Wir haben ein Gästehaus, es ist für alle Menschen offen, besonders dann, wenn sich der Satan aufmacht, um die Stützpunkte seiner Feinde zu vernichten. Manchmal habe ich Angst davor, daß es unser Kloster einmal treffen wird. Es hat lange genug in der Erde gelegen und ist dem Bösen entgegengereift. Einmal mußte es so kommen.«
Ich kam nicht daran vorbei, die Weisheit der Äbtissin zu bewundern. Zudem besaß sie eine gewisse Weitsicht, der auch ich nur zustimmen konnte. Sie schaute mich an und erkundigte sich, ob ich mit weiteren Taten rechnete.
»Ja, Ehrwürdige Mutter. Die Saat des Bösen ist aufgegangen. Es hat lange gedauert, wir haben sie leider nicht stoppen können, aber wir müssen jetzt Schlimmeres verhüten.«
»Darf ich fragen, wie Sie das machen wollen?«
»Ich kann natürlich nicht überall sein. Deshalb möchte ich Verstärkung holen. Mein Freund und Kollege Suko wird morgen früh hier sein. Zu zweit sieht alles ganz anders aus. Da haben wir unsere Erfahrungen.«
Die Äbtissin lächelte. »Ich glaube
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