Die Maske des Meisters
Mann, der er einmal gewesen war. Aber er hätte von Anfang an die Finger von ihr lassen sollen. Nun war es zu spät. Zu spät für ihn, denn er konnte keines seiner Opfer in ihr sehen, sondern vielmehr seine lernwillige, neugierige Geliebte.
Er stand auf und legte sich auf das Klappbett. Mit hinter dem Kopf gefalteten Händen starrte er die Zimmerdecke an. Dieser Ort bereitete ihm immer mehr Magenschmerzen. Es war Zeit, dass er hier herauskam, für immer. Dieses Loch war kalt, dunkel und erdrückend. In der bedrückenden Umgebung sehnte er sich noch mehr nach Claires Wärme. Sie begehrte ihn, obwohl sie wusste, dass er zwei Frauen entführt hatte. Das zeigte ihm, wie sehr sie ihn ebenfalls mochte. Auch ihr war ganz bestimmt bewusst, dass sie sich von ihm fernhalten sollte, doch sie konnte ihre Gefühle genauso wenig unterdrücken wie er seine für sie.
„Wir sind füreinander bestimmt.“ Seine Worte, die er vor sich hin gesäuselt hatte, gingen im Lärm einiger Trucks unter, die von Zumbiel Packaging wegfuhren.
Die Firma stellte seit 1843 Konsumartikelverpackungen her. Er kam sich vor wie eine Ratte, die von den Menschen unbemerkt unter der Fabrik lebte. Und genauso erbärmlich. Er war nicht der Typ Mann, der sich normalerweise versteckte, sondern eine offene, ehrliche Konfrontation suchte, doch das war in diesem Fall nicht möglich. Diese Option hatte er bereits versucht und war gescheitert.
Manchmal musste man eben zu etwas Bösem werden, um das Böse zu bekämpfen.
Doch das mit der Leiche war zu viel. Er hatte den Druck auf die Zielpersonen erhöhen müssen, aber Claire würde er mit diesem Schachzug verlieren.
Er war fahrig, konnte kaum ruhig liegen bleiben und setzte sich aufrecht auf sein provisorisches Bett. Seinen Kopf stützte er mit seinen Händen ab und stöhnte.
Natürlich hatte er Cynthias Hinweis mit der Eisenbahn bemerkt, aber die Andeutung war nutzlos gewesen, deswegen hatte er nur ihre Kosmetika in den Müll geworfen. Er hatte ihr die Schönheitsmittelchen besorgt und er hatte sie ihr weggenommen. Weshalb diese Kratzbürste sich hier unten überhaupt schminkte, verstand er nicht. Claire benutzte überhaupt kein Make-up und war bildschön. Aurora war genauso natürlich gewesen. Außerdem wurde Cynthia nur von Liberty und ihm gesehen. Wie lange würde er es noch mit den beiden Frauen aushalten, nun, da Cyn Libby mit ihrer Aufmüpfigkeit angesteckt hatte? Es war ein Kreuz mit den beiden.
Einmal waren Jugendliche in die Cincinnati Subway gekommen, um in den nie fertiggestellten U-Bahn-Tunneln aus den 1920er-Jahren ein Saufgelage zu veranstalten, doch er hatte sie erfolgreich verscheucht, indem er einige Warnschüsse abgegeben hatte.
Als er anfing, seinen Plan in die Tat umzusetzen, hatte er sich den Norwood-Tunnel ausgesucht, weil er dort einen Raum entdeckt hatte, der abschließbar war und Fenster besaß, die nicht mehr als kleine Schlitze in Deckenhöhe waren. Perfekt, um jemanden gefangen zu halten. Mittlerweile bereute er es, sich hier eingenistet zu haben, denn der Eingang des Westportals befand sich ausgerechnet unter der Ladezone von Zumbiel. Es war nicht einfach, sich raus- und reinzuschleichen, ständig wurde dort oben gearbeitet.
Aber das war das kleinere Übel. Schlimmer war, dass es ihm zusetzte, die beiden Frauen hier unten über einen langen Zeitraum hinweg einzusperren. In seinem Zorn damals war es ihm egal gewesen. Er hatte nur die Gerechtigkeit im Sinn gehabt. Doch nun wollte er nichts lieber, als Cynthia und Liberty laufen lassen.
Aber es gab kein Zurück mehr. Er musste sich durch die selbst angezettelte Schlacht kämpfen. Und er quälte sich genauso sehr wie die beiden Frauen.
Was sollte mit Claire geschehen? Seit sie nach Oakwood zurückgekehrt war, stand sie auf seiner Liste. Doch die Dinge entwickelten sich nicht so, wie er es beabsichtigt hatte. Die Cops waren noch nicht eingebrochen. Offensichtlich war ihr eigener Leumund ihnen wichtiger als ihre Familie. Wie weit musste er noch gehen, bevor sie zusammenbrachen? Er hatte keine Lust, weitere Polizistenschwestern hier unten einzuschließen und für sie den Babysitter zu spielen, denn um sein schlechtes Gewissen zu beruhigen, tat er alles für ihr Wohl. Ihre Forderungen und die Schlacht mit dem Sheriff’s Department raubten ihm langsam den letzten Nerv.
Es gab nur eine einzige Person, die ihm Kraft schenken konnte, damit er durchhielt.
Schwungvoll stand er von der Liege auf. Die Zeit war gekommen, Claire zu sich zu
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