Die Masken der Wahrheit
und Spiegelungen und dem verschwommenen Rauch der Fackel getrübt.
»Wir haben mit dem Stallknecht über die Sache gesprochen.« Straw schaute mit unstetem Blick in die Runde; sein wirres Haar schimmerte im Licht. »Er wollte nicht gern darüber reden«, fuhr er fort, »obwohl er sehr gesprächig war, was andere Dinge betrifft.«
»Es war Raub«, sagte Tobias. »Man fand das Geld im Haus der Frau. Der Mönch hat es entdeckt.«
»Für so was haben Mönche immer eine gute Nase«, sagte Stephen.
Dann hatten wir keine Zeit mehr, das Gespräch weiterzuführen. Wir mußten uns umkleiden und uns für die Aufführung des Stücks von Adam vorbereiten. Und ich war nervös; ich spürte eine Anspannung in der Brust, und in meinem Kopf war für andere Gedanken kein Platz mehr. Doch der Schatten dieses Verbrechens lag bereits über uns, obwohl ich es zu diesem Zeitpunkt noch nicht wußte. Er liegt heute noch auf mir.
Kapitel fünf
ie Schwierigkeiten, welche dieser Tag brachte, waren noch nicht vorüber. Als wir die Vorbereitungen trafen, unser Stück aufzuführen, kam zum Klang von Trommeln und Dudelsäcken eine Gruppe fahrender Spielleute zum Wirtshaus gezogen und nahm im Hof sogleich jenen Bereich an der Mauer in Beschlag, der sich gegenüber dem Eingangstor befand – der beste Platz. Martin, der bereits den kurzen weißen Kittel des Adam vor dem Sündenfall trug, trat aus dem Kuhstall hinaus und sah, daß an der Mauer schon ein Bär angebunden war und daß Seiltänzer ihre Matten ausbreiteten und ein Muskelmann Ketten von einem Handkarren lud. Für einige Augenblicke stand Martin mit bloßen Beinen in der Kälte und starrte auf die Szene, als wolle er seinen Augen nicht trauen. Dann bewegte er sich rasch auf die Ankömmlinge zu. Ich folgte ihm in Begleitung Stephens, der bereits das lange Gewand Gottes trug. An Zahl waren wir den anderen deutlich unterlegen – sie hatten auch noch einen Feuerschlucker dabei, der bereits damit beschäftigt war, sein Kohlenbecken zu entfachen, und eine Familie von Akrobaten. Die fahrenden Spielleute reisten in Gruppen, und sie treten vor Publikum auf, wo immer sich die Gelegenheit dazu bietet, in großen Sälen, auf Turnieren und Wettkämpfen für Bogenschützen, auf Jahrmärkten und Marktplätzen. Was das angeht, sind sie wie die Schauspieler, doch im Unterschied zu uns haben die fahrenden Akrobaten und Gaukler keinen Prinzipal; was sie tun, stiftet keine Gemeinschaft, und sie können sich jederzeit zusammentun und wieder auseinandergehen.
Da es bei den fahrenden Spielleuten keinen Sprecher gab, war es für Martin schwer, jemanden zu finden, mit dem er sich darüber streiten konnte, wem der Platz an der Mauer zustand. So richtete er sein Hauptaugenmerk auf die Akrobaten, da sie eine einzige Familie waren – Mann und Frau und zwei fröstelnde Knaben mit geschorenen Köpfen. Martin sagte dem Mann, der Platz sei schon besetzt, wobei er zuerst einen verbindlichen Tonfall anschlug, mit dem sichtlichen Bemühen um eine friedliche Lösung. Doch der Mann begann zu zetern, und die Frau unterstützte ihn mit schriller Stimme, und auch der Muskelmann ließ seine Ketten mit lautem Gerassel auf die Pflastersteine fallen und kam auf uns zugetrottet, weil er erkannt hatte, was vor sich ging. Der Mann war sehr groß, größer und schwerer noch als Stephen und von gewaltiger Körpermasse, wenngleich das meiste davon Fett war. Er war kahlköpfig und sehr häßlich, und er trug einen Kupferring in einem Ohr. Als er näher kam, schnaufte er wie ein Ringer und hob die Hände, als wollte er Martin in einen Klammergriff nehmen. Ich glaube, es war kein Ernst, sondern eher eine Drohung, um uns Angst einzujagen, doch als der Muskelmann noch zwei Schritte von uns entfernt war, machte Martin einen Ausfall und trat nach ihm, wobei er sich leicht zur Seite drehte, so daß sein Fuß den Leib des Muskelmannes zuerst mit der Ferse traf und sehr hoch für einen Tritt aus dem Stand. Martin erwischte den Mann auf der linken Seite unterhalb des Herzens. Der Muskelprotz fiel zwar nicht zu Boden, krümmte sich jedoch schwer nach vorn und rang nach Luft; alle konnten sein Schnaufen hören.
Welchen weiteren Verlauf die Schlägerei genommen hätte, weiß ich nicht. Stephen, von Natur aus ein Haudrauf, hätte weitergemacht. Martin hatte eine Faust erhoben und hätte wahrscheinlich hingelangt, solange der Vorteil noch auf seiner Seite war. Dann aber erschien der Wirt in Begleitung eines
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