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Die Masken des Morpheus

Die Masken des Morpheus

Titel: Die Masken des Morpheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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dich ausgab. Er war der Löwe. Ikela hat den Mörder meiner Mutter getötet. Es war doch auch Xix, der auf Ivoria in die Rolle meines Vaters geschlüpft ist, oder? Lebt er noch oder habe ich nur einen Doppelgänger gesehen?«
    »Tobes, meinst du?« Der Metasomenfürst lächelte auf eine so niederträchtige Weise, die Arian seinem eigenen Gesicht nie zugetraut hätte. »Ich verrate es dir. Du musst mir nur ohne Wenn und Aber Treue schwören.«
    »Niemals!«
    »Dann nimmst du die Ungewissheit mit ins Grab.«
    »Wir sehen uns nicht das letzte Mal.«
    »Ich fürchte doch. Deshalb hätte ich noch eine Frage an dich.«
    »Was?«
    »Würdest du mir den Feuerkristall zurückgeben, den ich Turtleneck vermacht habe?«
    Arian schnaubte. »Geschenkt ist geschenkt.«
    »Wenn dein Kopf erst im Korb liegt, bekomme ich ihn sowieso.«
    »Kannst ihn dir ja gleich holen.«
    Morpheus lächelte. »Wozu die Eile? Sterbe wohl, Arian.« Er zog sich wieder die Kapuze in die Stirn, trat in die Schatten zurück und winkte jemandem zu.
    Arian hörte Schritte. Vier Gerichtsdiener erschienen im Gang. Sie trugen Handschuhe und hatten lange Stangen mit Schlingen am Ende, wie sie Hundefänger benutzten, um von tollwütigen Tieren nicht gebissen zu werden. Ihre Gesichter waren ausdruckslos.
    Einer schloss die Kerkertür auf. Die drei übrigen drängten herein. Ehe der Gefangene reagieren konnte, drosch ihm einer seinen Stab über den Schädel. Der Kerl wusste genau, wie fest er zuschlagen musste.
    Arian schrie vor Schmerz. Ihm wurde schwindelig, aber er verlor nicht die Besinnung. Eine dunkle Flut stieg in ihm auf, Gefühle, nach denen er gierte, obwohl er sie verabscheute: glühender Zorn, kalter Hass und ein brennender Durst nach Rache. Doch selbst sie vermochten seine Benommenheit nicht zu vertreiben. Hilflos registrierte er, wie sich mehrere Schlingen um seinen Hals legten und ihm die Luft abschnürten.
    »Auf den Boden mit dir!«, rief jemand.
    Er sträubte sich. Vergeblich. Unbarmherzig zogen die Schergen seinen Kopf nach unten. Einer stellte ihm den Fuß in den Nacken, andere fesselten ihn. Dann drehte man ihn auf den Rücken und drückte ihm einen nassen, kochend heißen Schwamm auf Mund und Nase. Die Kerle wollten ihn betäuben. Arian versuchte zu schreien und bäumte sich auf. Er hätte seine Peiniger am liebsten erdrosselt, aufgeschlitzt und erschlagen. Es nützte alles nichts.
    »Passt auf, berührt ihn nicht mit bloßer Haut!«, hörte er Morpheus sagen.
    Schon nach kurzer Zeit fühlte sich Arian, als habe er viel zu viel Wein getrunken. Zwar blieb er bei Besinnung, doch sein Widerstand erlahmte. Sein Bewusstsein war wie dieser Schwamm, den man ihm aufs Gesicht presste. Die äußeren Schichten seines Geistes sogen sich mit lähmender Gleichgültigkeit voll. Nur tief im Innern blieb etwas wach und rüttelte wie eine wilde Bestie an dem Käfig, in den man es eingesperrt hatte. Es war zu schwach, um sich mit furchterregenden Illusionen zu wehren. Es konnte nur noch still sein und beobachten.
    »Ganz famos!«, sagte der Fürst. »Und nun stutzt ihm die Haare. Danach fahrt ihn zur Place de la Révolution.«
    »Ohne Verfahren? Muss er nicht erst zum Tribunal?«, wunderte sich einer der Gerichtsdiener.
    »Wozu?«, antwortete Morpheus kühl. »Das Todesurteil über diesen Mann wurde schon vor langer Zeit gefällt.«

Arian tritt den schwersten Gang seines Lebens an:
auf das Blutgerüst.
      
      
      
    Paris, 13. Juli 1793
      
    Die Begeisterung der Massen brandete wie Meeresrauschen in Arians Ohren. Nicht unangenehm , dachte er, sah man einmal davon ab, dass die Leute einen herrenlosen Kopf bejubelten, den der Scharfrichter ihnen präsentierte.
    »Geradeaus sehen!«, blaffte ein Henkersknecht und zog die Hundefängerschlinge fester.
    Arian rang nach Luft. Allzu gerne hätte er dieser verfluchten Kanaille gezeigt, wozu der Turtleneck in ihm fähig war. Er stand in einer Reihe mit anderen Wartenden. Mit dem Rücken zum Blutgerüst. So sollte vermieden werden, dass die Todgeweihten unnötig beunruhigt wurden. Der Mann neben ihm machte sich trotzdem in die Hose, obwohl er eine rote Nelke im Knopfloch hatte. Unter der Guillotine bewahrten sich nur wenige ihre Unerschrockenheit.
    Den Einäugigen hatte man in sicherem Abstand zu den übrigen Delinquenten platziert, damit er niemanden anfassen konnte. Abgesehen von Schuhen, Strümpfen und Culotte hatte er nur ein Hemd an, war also unbefrackt. Um einen sauberen Schnitt zu gewährleisten, hatte man

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