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Die Masken des Morpheus

Die Masken des Morpheus

Titel: Die Masken des Morpheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Nationalkonvent wäre der Bürger Louis Capet, der als König Ludwig XVI. sein Volk verraten hatte, vielleicht nie auf die Guillotine gekommen.«
    Mira hielt dem funkelnden Blick des Mannes in der Badewanne stand. Kühl und unnachgiebig verlangte sie: »Bitte setzen Sie seinen Namen auf die Liste, Monsieur. Den Grund dafür werden Sie gleich erfahren.«
    Also schrieb er: Maximilien Marie Isidore de Robespierre. Marats Widerwille dagegen war so groß, dass er für einen Augenblick nur mit der Todesliste und den eigenen Gefühlen beschäftigt war.
    Miras Rechte schloss sich fester um den Messergriff. Ihre Hand hob sich.
    Der Totschreiber las noch einmal die Namen.
    Willst du ihn wirklich ermorden?, fragte sie sich. Oder ist es Charlotte, die dich dazu drängt?
    Marat schüttelte unwillig den Kopf.
    Sie brauchte nur aufzustehen und zuzustechen. Doch sie zögerte. Arian hielt sie zurück. Die wenigen Stunden mit ihm in einem gemeinsamen Körper hatten sie verändert; jetzt erst wurde ihr das so richtig bewusst. Obwohl er nun tot war, lebte etwas von ihm in ihr weiter, gegen das Charlotte Corday nicht ankam.
    Mira ließ das Messer wieder sinken. Nein, sie war kein Racheengel. Der Totschreiber würde seine gerechte Strafe bekommen. Dafür würde sie sorgen. Aber nicht durch einen Meuchelmord.
    Plötzlich fuhr Marat herum. Seine freie Hand langte über den Wannenrand, griff nach Miras Arm. »Was verstecken Sie da? Ist das ein … Dolch? «
    Sie wehrte sich, doch in seiner Todesangst entwickelte er ungeheure Kräfte. Um die vermeintliche Mordwaffe von sich fernzuhalten, packte er auch mit der Linken zu. Er zog seinen Arm nicht einmal unter dem Leinentuch hervor, das seine Wanne bedeckte.
    »Ich will Sie nicht töten«, beteuerte Mira.
    »Dann gib mir den Dolch«, knurrte er.
    Ihre Gegenwehr erlahmte.
    Seine Rechte glitt an ihrem Arm herab und bemächtigte sich des Messers. Dabei berührten seine Finger ihre Hand.
    Erst in diesem Moment bemerkte Mira, dass er ein Körpertauscher war.
    Mit unglaublicher Gewalt wurde sie aus der Hülle von Charlotte Corday herausgerissen, die daraufhin samt Stuhl umkippte. Mira spürte sofort die Feindseligkeit des Changeurs. Sein Wesen glich einem Kraken, der jeden verschlang, den er in seine Fangarme bekam. So unbarmherzig Marat seine Gesinnungsfeinde behandelte, so gnadenlos würde er auch gegen sie sein. Und er war mächtig.
    Sieh an, eine Metasome!, hörte sie seine hämische Geistesstimme. Schickt dich der Fürst? Traut er mir etwa nicht mehr?
    Morpheus hat mich tatsächlich ausgesandt, um seine Feinde zu finden, antwortete sie. Das war nicht einmal gelogen.
    Der Changeur zögerte. Vielleicht verzichtete er auf die Verschmelzung und ließ seine Beute stattdessen in den Körper von Charlotte Corday zurückkehren. Ihr rechter Arm lag noch auf dem Wannenrand. Woher weiß ich, dass du nicht eine von den Rebellen bist?
    Wir können gemeinsam zu Morpheus gehen und ihn fragen.
    Jetzt hast du dich verraten, heulte Marats innere Stimme auf. Niemand von uns betritt ungestraft die Bannmeile um die Place Vendôme, das hättest du verräterische Canaille eigentlich wissen sollen. Sein Geist stürzte sich auf den von Mira.
    Sie reagierte anders, als es von einem Körpertauscher in einer so lebensbedrohlichen Lage zu erwarten war. Anstatt sich gegen das Bewusstsein anzustemmen, das ihres zu umschließen und sich mit ihm zu verschmelzen suchte, lenkte sie ihre ganze Kraft in den Arm, der nach wie vor das Küchenmesser hielt. Als Marat ihre Absicht erkannte, war es bereits zu spät. Die geschmiedete Klinge bohrte sich in seinen Hals.
    Der Schmerz nahm dem Angriff die Schärfe. Mira litt weniger darunter als Marat, weil er noch die Oberhand über den Körper hatte. Mit seinen Augen sah sie das Blut, das auf die Todesliste spritzte. Es war sein eigenes. Auf einmal ging es um sein Leben. Er blickte zu Charlottes Hand. Sie verhieß Rettung.
    Mira merkte, wie seine Rechte das Messer loslassen wollte, um die leere Hülle der Frau zu berühren. Diesmal kommen Sie nicht ungeschoren davon, schrie sie im Geist. Ihr ganzer Wille stemmte sich gegen den des Totschreibers an. Er stieß die Kerze um. Zischend erlosch sie im Wasser. Seine Hand hob sich zitternd. In jedem einzelnen Finger tobte der Kampf. Die Klinge drehte sich, zeigte nun direkt auf seinen Oberkörper.
    Tu das nicht! , flehte er.
    Sie lassen mir keine andere Wahl, Monsieur . Mira ließ alle Kraft in den Arm fahren. Das Messer bohrte sich unterhalb des

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