Die Masken des Morpheus
Zusammenstellung seiner Garderobe noch bei der Wahl seiner Patienten. Er neigte in jeder Beziehung zu gewagten Kombinationen: kariert und geblümt am selben Körper ging ebenso wie arm und reich auf demselben Behandlungstisch.
Als der blasierte Hausdiener des Arztes Hooters brutale Erscheinung gewahrte, reagierte er gleichwohl zurückhaltend. Die blutende Stichwunde ließ er als »Zutrittsberechtigung« nicht gelten. Arian stellte sich als Freund von Philip Astley vor. Der arrogante Diener glaubte ihm nicht und wollte ihm die Tür vor der Nase zuschlagen.
»Warten Sie!«, hielt Arian ihn zurück. »Erzählen Sie Ihrem Herrn, was ich Ihnen jetzt anvertraue. Aber Sie dürfen es niemandem sonst sagen. Es ist ein Geheimnis zwischen Doktor Abernathy und Sergeant Major Astley.« Nur wenige wussten, dass der Herzog von Braunschweig im Siebenjährigen Krieg hinter die feindlichen Linien gefallen und so gut wie verloren war, bis Philip – damals noch als Korporal – mit einer feindlichen Standarte angeritten kam und den Herzog rettete. Der Hausdiener übermittelte das Gehörte seinem Herrn. Anschließend kam er zähneknirschend an die Haustür zurück und ließ den Fremden ein, der einen unschönen Blutfleck auf dem Treppenabsatz hinterließ.
Der untersetzte, kleine Schotte empfing den Besucher in einem Behandlungszimmer, das er mit mindestens tausend medizinischen Büchern vollgestopft hatte. Abernathy ging bereits auf die sechzig zu. Mit seinem graublonden Nackenzopf und dem derben Wollanzug hätte er auch einen passablen Landlord abgegeben. Dazu unpassend trug er eine gelbgrundige Seidenweste mit Rosenmuster. Die Flecken darauf ließen vermuten, dass er in den letzten Tagen abwechslungsreiche und fette Kost mit erheblichen Mengen Rotwein genossen hatte. Gegenüber der grobschlächtigen Erscheinung seines Patienten zeigte er sich merklich duldsamer als der Hausdiener. Lediglich Arians Bitte, ihn nicht mit bloßen Händen anzufassen, fand der Doktor ziemlich abwegig.
»Sind Sie noch bei Trost?«, entrüstete er sich. »Sie haben ein Loch im Arm und verbluten gerade. Wie soll ich Sie flicken, wenn ich Sie nicht berühren darf?«
»So habe ich das auch nicht gemeint, Sir«, versuchte Arian zu erklären, was er selbst nicht richtig verstand. Er nahm an, dass direkter Hautkontakt den Körpertausch verursachte. »Ich habe … äh … eine Krankheit. Sie … überträgt sich, falls Sie mich einfach so anfassen.«
»Ich bin Arzt. Es ist meine Aufgabe, zu heilen. Um was für eine Krankheit handelt es sich denn?«
Arian dachte fieberhaft nach. Der Doktor würde sich mit einer banalen Antwort nicht abspeisen lassen. Wie lautete doch gleich dieses seltsame Wort, das der Sergeant Major im Stall benutzt hatte? »Ich glaube, man nennt Leute wie mich … äh … Meine Krankheit heißt … Metasomie. Ja, das ist ihr Name.«
Abernathy musterte ihn aus schmalen Augen. »Also, wenn mein Griechisch mich nicht im Stich lässt, bedeutet das so viel wie ›Körperumwandlung‹ oder ›Körperwechsel‹. Von so einem Leiden habe ich noch nie gehört.«
»Es ist, soweit ich weiß, auch sehr selten.«
»Meinen Sie vielleicht Aussatz? Während meines Militärdienstes in Indien habe ich oft gesehen, wie er einen Menschen verwandeln kann.«
»Ich denke, meine Erkrankung ist von etwas anderer Natur. Können wir uns nicht darauf einigen, dass Sie Handschuhe anziehen, Doktor? Mir wäre einfach wohler dabei.«
»Handschuhe? Wo gibt’s denn so was? Ein Arzt, der mit Handschuhen arbeitet!« Der Schotte schnaubte entrüstet.
»Ich habe gerade erlebt, wie ein Mann vor meinen Augen starb, nur weil ich ihn kurz berührt habe.«
Wieder dieser prüfende Blick. Abernathy wankte offenkundig zwischen Sorge und Argwohn. Dann zog er sich aber doch die Handschuhe an, und nachdem sich Arian auf der Behandlungsliege ausgestreckt hatte, machte er sich an die Arbeit.
»Woher kennen Sie eigentlich Mister Astley?«, erkundigte sich der Arzt einige Zeit später, während er gerade mit großer Sorgfalt eine monströse gebogene Nadel in den Arm seines Patienten bohrte und sie samt Faden jenseits der klaffenden Wunde wieder herauszog. Zur Verbesserung der Treffsicherheit hatte er einen Zwicker auf seine Knollennase geklemmt.
Arian wusste nicht, ob die Frage einem ernsthaften Interesse entsprang oder ihn lediglich von den Schmerzen ablenken sollte. Der Whiskey jedenfalls, den Abernathy ihm vor Beginn der Operation verabreicht hatte, half da nur bedingt. Er sog
Weitere Kostenlose Bücher