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Die Masken des Morpheus

Die Masken des Morpheus

Titel: Die Masken des Morpheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Ihr Körper hat Ihnen einen Warnschuss vor den Bug gegeben. Beim nächsten Mal könnte das Schiff versenkt werden.«
    »Sind Sie Arzt bei der Navy?«
    »Früher mal. Heute arbeite ich für den King.«
    Arian meinte noch schwach die Präsenz des Seelendiebs zu spüren. Sie hing in der Luft wie der Duft von jemand, der gerade erst gegangen war. Stöhnend hob er den Kopf und sah sich um. Er lag im Gang vor dem Hamam auf einer Ottomane, einem niedrigen gepolsterten Sofa mit einer halbrunden Seitenlehne. Von der hünenhaften Gestalt des Walisers war nichts zu sehen. Zur Linken reinigte Slit sich mit seinem riesigen Messer die Fingernägel. Am Fußende des Sitzmöbels standen Redhead und sein massiger Kumpan. Ihre derangierte Erscheinung ließ auf den gescheiterten Versuch schließen, den falschen Hooter aufzuhalten. Der Rotschopf rieb sich das rechte Auge, das fast zugeschwollen war. Hammers schwarzer Anzug hing ihm in Fetzen vom Körper. Mit seinen Ambosshänden versuchte er den halb abgerissenen Kragen wieder in Form zu bringen – ein rührender Anblick.
    »Genug der Plauderei«, mischte sich Turtleneck unwirsch ein. Er schob sich vom Kopfende her in Arians Gesichtskreis und drängte den Doktor zur Seite, um sich angemessen ins Bild zu setzen. Der King trug, passend zu dem Kristallauge, einen Frock aus scharlachrotem Samt. Weste und Hose waren aus demselben Tuch gearbeitet. Insgesamt gab er eine weitaus angenehmere Erscheinung ab als halb nackt mit Leinentuch. »Wer bist du?«, richtete er das Wort an den Patienten des Marinearztes. »Und wage es ja nicht, mir den Namen Zedekiah Blacksmith aufzutischen. Der bist du nämlich nicht.«
    Arian rang ächzend nach Atem, was einerseits seiner schlechten körperlichen Verfassung geschuldet war und ihm andererseits eine Denkpause verschaffte. Wenigstens äußerlich war er alt und weise. Er durfte auf keinen Fall zeigen, was in seinem Innern vor sich ging. Zwar hatte er auch schon früher manche Gefahr gemeistert, doch gegen Turtleneck war er ein Anfänger. Vielleicht konnte er das Narbengesicht mit einem Verwirrspiel überlisten. »Ich bin Hooter«, antwortete Arian, wobei er seiner Stimme den typischen walisischen Klang verlieh.
    Der King blinzelte mit dem Rubinauge. »Du hörst dich wie Hooter an, siehst aber nicht wie er aus.«
    »Muss wohl daran liegen, dass der Unhold einen Swapper aus mir gemacht hat. Die wechseln ihr Aussehen wie unsereiner die Kleider. Es ist ihr Tun, das sie verrät.«
    »Hört, hört! Na, dann tu mal ganz schnell was, das mich von deiner Glaubwürdigkeit überzeugt, denn mein allsehendes Auge ist mir da gerade keine große Hilfe. Liegt vermutlich an diesem anderen Swapper, der Redhead und Hammer über den Haufen gerannt und sich mit deinem Körper verdünnisiert hat. Sofern du tatsächlich Hooter bist. Obwohl ich im Feuerkristall momentan nur verschwommene Schemen sehe, merke ich nämlich, dass mit dir etwas nicht stimmt.«
    Slit beendete die Reinigung seiner Fingernägel und näherte sich Arian mit blanker Klinge. »Soll ich ihm die Zunge lockern, Boss?«
    Turtleneck streckte die Hand aus. »Warte! Wenn ihm der Lappen aus dem Maul fällt, kann er nichts mehr sagen.«
    Der Dicke zog sich enttäuscht zurück.
    Arian lachte rau. Irgendwie musste er das Narbengesicht überzeugen. »Und ob was mit mir nicht stimmt! Sieh mich an. Ich bin reif für den Sensenmann.«
    »Ja, das blühende Elend«, pflichtete ihm der King grinsend bei. »Nur, warum sollte ich dir glauben, dass du tatsächlich Hooter bist?«
    »Ich kann’s beweisen. Hat jemand einen Penny für mich?« Arian biss sich auf die Unterlippe, als ihm bewusst wurde, dass er ja nicht mehr in der fleischlichen Hülle des Walisers steckte. Wahrscheinlich hatte er mit dem letzten Körpertausch auch dessen Fingerfertigkeit eingebüßt. Und jetzt schaufelte er sich mit seiner großen Klappe das eigene Grab.
    Slit schnippte eine Kupfermünze in die Luft. Er tat es schnell und wohl absichtlich ungenau. Trotzdem fing Arian sie auf. Wenigstens die Geschicklichkeit des Jongleurs hatte er nicht verloren. Das Ganze war so verwirrend!
    Turtleneck ließ ein anerkennendes Pfeifen vernehmen. »Flinker als ein alter Tattergreis bist du allemal.«
    »Es kommt noch besser«, behauptete Arian. Ohne lange nachzudenken, schob er die Münze von unten durch die Finger, und sie begann, wie von selbst auf seiner Hand Purzelbäume zu schlagen. Es war unglaublich! Hooters Begabung hatte ihn also doch nicht verlassen. Sie war

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