Die Masken des Morpheus
der Schweiß aus, während er durch das Schlüsselloch spähte. Er sah einen kahlen Gang mit staubigen Bodendielen. Das Licht kam von einer Öllampe, die in einem Raum am Ende des Flurs auf dem Boden stand. Sie schimmerte mattsilbern wie Zinn und glich einer kleinen Teekanne auf einem Stiel, der unten einen tellerartigen Standfuß besaß. Die Flamme kam aus der verlängerten Tülle.
Das Ganze roch verdächtig nach einer Falle.
Er nahm das Stilett in die rechte Hand und öffnete mit der linken die Tür. Ihr Quietschen bescherte ihm die nächste Gänsehaut. Vorsichtig trat er in das Halbdunkel des Gangs und lauschte. Im Haus war es still. Er schloss die Tür und schob den Riegel vor. Dann erst sah er sich genauer um.
Der Korridor war kahl und leer: keine Bilder, keine Möbel, nichts. Von Decke und Wänden blätterte die Farbe. Links führte eine hölzerne Treppe ins obere Stockwerk. Einige Stufen waren eingebrochen. Der Abstieg in den Keller lag weiter hinten im Flur. Er war mit einem Geländer gesichert, in dem etliche Streben fehlten. Ob hier überhaupt noch jemand wohnte?
Langsam folgte Arian dem Gang, die vergiftete Klinge stoßbereit vor sich haltend, jeden Augenblick mit einem Angriff des Swappers rechnend. Unter seinen Füßen knarzten die Dielen. Zwei Schritte vor der Tür am Ende des Korridors blieb er stehen. Das flackernde Licht auf dem Fußboden des angrenzenden Raums schien ihm zuzuschreien: Kehr um! Hier kannst du nur sterben.
Aber wie sollte er dann jemals seinen eigenen Körper wiederfinden? Nein, er musste den Seelendieb überrumpeln und er hatte auch schon eine Idee, wie ihm das gelingen könnte.
Arian schöpfte tief Atem, um sich zu sammeln. Hierauf fixierte er mit den Augen die Lampe. Um genau zu sein, konzentrierte er sich auf die Luft, die das Licht umgab.
Mit einem Mal schien brennendes Öl unter dem Deckel des bauchigen Behälters hervorzuquillen, den Schaft hinabzufließen, sich in dem Tellerfuß auszubreiten und hiernach über dessen Rand zu fließen. Rasch breitete sich die züngelnde Flammenlache auf den Holzdielen aus, als sei der Vorrat an Öl unerschöpflich. Aber dann zügelte sich Arian. Das Feuer war ja nur eine kalte Illusion. Nun galt es, zu handeln, ehe Mortimer ihm auf die Schliche kam. Mit erhobener Klinge trat er durch die Tür und warf sie hinter sich ins Schloss.
Das Zimmer war ungefähr vier mal fünf Schritte groß und genauso leer wie der Korridor. Zwei Fenster blickten in die neblige Nacht hinaus. Arian wandte sich nach rechts. Jenseits der sich weiter ausbreitenden Feuerbarriere, neben einer Tür stehend, den Rücken an die Wand gepresst, entdeckte er Hooters Gestalt.
»Ihr seid also auch ein Gebieter des Feuers. Euer unheiliges Treiben kennt fürwahr keine Grenzen«, sagte der Seelendieb, ohne den gehetzten Blick von den Flammen zu nehmen. Sein französischer Tonfall irritierte Arian. Mister M. hatte lupenreines Cockney gesprochen.
Arian drehte den Kopf und rief über die Schulter: »Im Moment hält er still, Leute. Wartet, bis ich euch rufe.«
Aus dem Gang ertönte Gemurmel und dann ein unwilliges: »Sollen wir nicht lieber gleich reinkommen und ihn erschießen?«
»Nein«, antwortete Arian, wobei Zeds echtes Organ, anders als seine kräftige Bauchrednerstimme, ausgesprochen asthmatisch klang. »Vielleicht kommt er ja zur Vernunft und lässt mit sich …« Aus den Augenwinkeln bemerkte er eine schnelle Bewegung, die ihn verstummen und mit dem Stilett herumfahren ließ.
Der Seelendieb dachte jedoch gar nicht daran, sich auf einen Kampf einzulassen. Er hatte sich nach links gewandt, den Messingknauf der Tür gepackt, sie aufgerissen und stürzte in den dahinter liegenden finsteren Raum.
»Mist!«, zischte Arian und lief geradewegs über die falschen Flammen hinweg zur Tür. Um nicht blindlings in eine Falle zu tappen, trieb er zunächst das Phantomfeuer vor sich her. Wenn es auch nicht heiß war, spendete es doch wenigstens Licht und schüchterte den Unhold ein. Die brennende Pfütze floss durch die Tür und er betrat mit ihr …
Eine Abstellkammer! Arians Herz machte einen Freudensprung. Sein Gegner hatte sich selbst ausmanövriert.
Der Swapper stand am Ende eines kahlen, verstaubten, etwa fünf Schritte langen Raums, der weder Fenster noch weitere Türen besaß. In seinem gequälten Blick war nichts mehr von der Selbstsicherheit zu sehen, die er am vergangenen Mittag als Mister M. ausgestrahlt hatte. Um jeden Widerstand im Keim zu ersticken, erschuf Arian
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