Die Masken des Morpheus
erreicht. Redhead hielt ihn mit der Vorderladerpistole in Schach.
Arian zögerte. Sein verschleierter Blick nahm Hooters Gesicht nur als verschwommene Ansammlung dunkler Flecken auf milchigem Grund wahr. Konnte er Mira trauen? Er brauchte sie schließlich nicht, um sein Leben zu retten. Eine leise Berührung von Hammers stützender Hand genügte, um mit ihm den Körper zu tauschen. Und dann wäre auch er, Tobes’ Sohn, ein Seelendieb …
»Lasst Hooter in Frieden«, antwortete Arian mit schwerer Zunge. »Er hat mich gerettet und wollte Euch nur warnen. Wir sollten die Fliege machen, ehe es hier von Schaulustigen nur so wimmelt.«
»Am besten, wir kehren zum Soho Square zurück«, schlug der rothaarige Lockenkopf vor. Nach wie vor hielt er seine Pistole auf Hooter gerichtet.
Arian löste sich ruppig aus Hammers Umklammerung. Mit zusammengebissenen Zähnen schleppte er sich in die Schusslinie, baute sich vor Miras hünenhafter Gestalt auf und funkelte den Rotschopf zornig an. »Steck deine Bleispritze weg, Redhead. Das Rhinozeros und ich müssen noch einer Spur nachgehen, ein heißer Tipp, den ich dem Alten aus den Rippen geschnitten habe, bevor er verblutet ist – deswegen hat’s so lange gedauert. Wir kommen später nach.«
»Stimmt das?«, erkundigte sich Hammer argwöhnisch bei Hooter.
Mira zögerte. Arian wandte sich zu ihr um. Warum sagte sie nichts? Erwartete sie von ihm eine Entschuldigung? Endlich atmete sie tief durch und nickte.
»Der King wird mich fragen, wohin eure Spur führt«, hakte Hammer nach.
Mira widerstand mit ausdrucksloser Miene dem bohrenden Blick des Halunken. Ihre knappe Antwort klang kühl. »Ins Tollhaus.«
Arian hielt die Luft an. Hatte Hammer ihren französischen Tonfall bemerkt? »Da ist das Mädchen«, sagte er, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Es kostete ihn unbeschreibliche Mühen, dabei nicht wie ein Betrunkener zu lallen. »Ihr wisst schon: Die Kleine, die Mortimer jagt, weil sie seine Pläne kennt…« Aus dem Nebel drangen aufgeregte Stimmen herüber – die ersten Schaulustigen. Genau zur rechten Zeit , dachte Arian, und schlug gegenüber Redhead und Hammer nun den gleichen großspurigen Ton an wie zuvor Slit. »Ich habe keine Lust, wegen eurer dämlichen Spielchen am Galgen zu enden. Geht und berichtet Turtleneck, dass es einen Seelendieb weniger in seiner Stadt gibt. Alles Weitere hört er nachher von uns.« Er drehte sich wieder zu Mira um, die für ihn nur mehr ein verwaschener Tintenklecks war. Mit zitternder Hand suchte er nach Halt und flüsterte: »Von hier ab übernimmst du die Führung.«
Einen Augenblick lang geschah nichts. Dann spürte er Hooters Pranke, stark und unnachgiebig – damit es keinen unbeabsichtigten Körpertausch gab. Arian biss die Zähne zusammen, um seinen lebensbedrohlichen Zustand vor Redhead und Hammer zu verbergen.
»Ich halte dich«, versprach Mira leise und führte ihn weg von den Verbrechern.
Bald begegneten sie einer Gruppe Menschen. Durch das Rauschen in seinen Ohren hörte er eine Frauenstimme. »Was ist mit dem Mann?«
»In dem brennenden Haus ist eine Treppe unter ihm eingebrochen. Ich sorge dafür, dass er Hilfe bekommt«, antwortete Mira, ohne anzuhalten.
»Gott segne sie«, sagte die Fremde und zog mit den anderen davon.
Arian bekam kaum noch Luft. Mira legte seinen Arm um ihre Schulter und schleifte ihn mehr die Straße hinab, als dass er aus eigener Kraft lief. »Was ist – mit Hammer – und Redhead?«, keuchte er. Nach jedem zweiten Wort musste er nach Atem ringen. Gerade passierten sie eine weitere Laterne, die an einer Hauswand hing.
Mira drehte sich um. »Der Nebel hat sie verschluckt.«
»Ich glaube, – ich mach’s – nicht mehr lang.«
»Du schaffst das, Arian! Das Feuer lockt Schaulustige an. Wir suchen uns ein schattiges Plätzchen. Wenn ich dich hier in mich aufnehme, wird man in kürzester Zeit Slits leblose Hülle entdecken und Hooter für seinen Mörder halten.«
»Wie lange – dauert es, – bis ein – herrenloser Leib – stirbt?«
»Wenige Minuten. Ist bei jedem Menschen anders. Sei jetzt still und schone deine Kräfte.«
»Dann – finden sie ihn – vielleicht, ehe – er tot ist – und…« Arian schnappte nach Luft, weil sich jäh ein Messer in sein Herz zu bohren und darin herumzudrehen schien. Der Schmerz war bei Weitem schlimmer als das, was Slit ihm angetan hatte. Sein Körper verkrampfte sich.
Mira ließ ihn vorsichtig zu Boden sinken und lockerte sein Halstuch.
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