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Die Masken von San Marco

Die Masken von San Marco

Titel: Die Masken von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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Glocke.
    Königsegg wandte sich an Andreotti, der ihm gefolgt  war. «Wer sitzt auf den Stühlen?»
    «Der Schiedsrichter und der Hundemeister», sagte Andreotti. «Der Schiedsrichter nimmt die Zeit ab, und der Hundemeister überwacht die Regeln. Er kann den Kampf auch abbrechen, wenn ein Hund zu schwer verletzt wird.»
    «Die Ratten verletzen den Hund?»
    Andreotti nickte. «Das kommt häufig vor. Allerdings  wird sehr selten ein Kampf deswegen abgebrochen.»
    Zwei Männer, der eine bärtig, der andere glattrasiert und mit dem Aussehen eines Engländers, drängten sich jetzt durch die Menge und bestiegen die Stühle auf dem Podest.
    Der glattrasierte Mann schrieb etwas auf ein Klemmbrett, das er in der Hand hielt, und der Mann mit dem Bart schüttelte die Glocke.
    Auf einen Schlag verstummte das Stimmengewirr. Die  Zuschauer lösten sich aus ihren Gruppen und verteilten sich um die Arena. Niemand sprach mehr, und Königsegg sah, wie sich alle Augen auf die Tür neben dem Ausschank richteten.
    «Zuerst kommen die Ratten in die Arena», flüsterte  Andreotti, «danach die Hunde.»
    Die Zuschauer auf der anderen Seite der Arena wichen zur Seite, um einem Mann Platz zu machen, der einen hölzernen Kasten auf der rechten Schulter trug. Er stellte den Kasten unsanft auf der Brüstung ab und öffnete eine Klappe, sodass die Ratten wie eine Ladung Kartoffeln auf den Boden purzelten. Danach machte er eine Verbeugung, und die Zuschauer brachen in lärmenden Applaus aus.
    Zuerst konnte Königsegg auf dem Boden der Arena  nicht mehr als einen pelzigen braunen Haufen erkennen, in dem es zuckte und piepte. Schließlich kam Bewegung in die Meute, und jetzt unterschied Königsegg einzelne Tiere.
    Einige Ratten richteten sich auf ihren Hinterbeinen auf, schnupperten mit spitzen Nasen und fiepten, andere rannten los und liefen wie besessen an der runden Innenseite der Arena entlang, während wieder andere versuchten, an den glatten Holzwänden hochzuklettern. Königsegg war sich sicher, dass die Tiere ihren nahenden Tod witterten.
    «Wie viele Ratten sind in der Arena?»
    «Genau zwanzig Stück», sagte Andreotti, der den Blick nicht von der Arena gelassen hatte. «Gute und gesunde Ratten.»
    «Und was geschieht jetzt?»
    Königsegg stellte fest, dass ihn dieses wilde Schauspiel faszinierte – der Geruch nach Zigarren, Bier und Hunden, die eigentümliche Spannung, die in der Halle herrschte. Es war fast wie in einem Spielcasino – nein, es war besser, intensiver.

    «Der Schiedsrichter beobachtet die Ratten ein paar Minuten», erklärte Andreotti. «Wenn er sich davon überzeugt hat, dass sie alle gesund sind, lässt der Hundemeister den ersten Hund in die Arena holen», sagte Andreotti.
    «Und dann?»
    «Es geht in dieser Runde nach Zeit», sagte Andreotti.
    «Fünf gleich schwere Hunde treten gegeneinander an, und wer am schnellsten mit den zwanzig Ratten fertig ist, hat gewonnen.»
    «Wie lange braucht der Hund für eine Ratte?»
    Andreotti zuckte die Achseln. «Zwischen fünf und sechs Sekunden. Jacko war schneller. Der hat im Durchschnitt knapp drei Sekunden gebraucht. Je mehr Ratten in der Arena sind, desto länger ist die durchschnittliche Zeit.»
    «Sie meinen, bei zwanzig Ratten sind die Hunde pro  Ratte am schnellsten? Und bei fünfzig Ratten am langsamsten?»
    Andreotti nickte. «Es geht hoch bis zu einhundertzwanzig Ratten in einem Kampf. Das kann dann knapp zehn Minuten dauern.»
    «Wie hoch sind die Einsätze?»
    «Das kommt auf den Buchmacher an.» Andreotti wies  auf zwei Signori, die hinter einem Tisch auf der anderen Seite der Halle saßen und die Königsegg noch nicht bemerkt hatte. «Manchmal wird hier ziemlich hoch gespielt.»
    «Setzt man auf Sieg?»
    «Oder auf Platz. Wie Sie wollen.» Andreotti hob den  Kopf, als plötzlich ein Raunen durch die Menge ging. Kö nigsegg sah, dass die beiden Leutnants der kroatischen Jäger ihre Unterhaltung unterbrachen und einer von ihnen auf einen Stuhl kletterte. «Da kommt der erste Hund», bemerkte Andreotti.

    Wieder öffnete sich die Tür neben dem Ausschank, und wieder machten die Zuschauer auf der anderen Seite der Arena Platz für eine Gasse. Der Mann, der einen nicht besonders großen, aber äußerst kompakt wirkenden Hund an der Leine führte, trug einen karierten Gehrock und einen schwarzen Zylinder, im Mund hatte er eine kurze Shag-Pfeife. Er wechselte ein paar Worte mit dem Hundemeister und dem Schiedsrichter.
    Dann rief der bärtige Schiedsrichter:

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