Die Matlock-Affäre
aus seinem Arbeitszimmer zurück und gab dem Sohn einen Umschlag.
Der Sohn wußte, daß er ihn jetzt nicht öffnen durfte.
Zehn Minuten nach dem Austausch - und Matlock wußte, daß es ein Austausch war - verließ er seine Eltern und spürte ihre Augen auf sich, als sie auf der riesigen Veranda standen und ihm nachblickten, wie er das Anwesen durch das Tor verließ.
Matlock bog in die Einfahrt seines Wohnhauses, schaltete Scheinwerfer und Motor ab und stieg müde aus dem Wagen. Als er sich dem alten Tudorhaus näherte, sah er, daß seine sämtlichen Lichter eingeschaltet waren. Jason Greenberg ging kein Risiko ein. Matlock vermutete, daß irgendein Teil von Greenbergs stummer, unsichtbarer Armee sein Haus aus unterschiedlichsten Distanzen beobachtete - aber keiner von ihnen zu weit entfernt.
Er schloß die Türe auf. Niemand da. Wenigstens nicht zu sehen. Nicht einmal seine Katze.
»Hallo? Jason? ... Ist niemand da? Ich bin's, Matlock.«
Keine Antwort, und Matlock war erleichtert. Er wollte nichts als ins Bett kriechen und schlafen. Er hatte am Krankenhaus angehalten, um Pat zu sehen, aber man hatte ihm die Bitte abgeschlagen. Zumindest hatte er erfahren, daß >... sie ruht und ihr Zustand als befriedigend betrachtet wird.< Das war ein Fortschritt. Am Nachmittag war sie noch auf der Gefahrenliste gestanden. Er würde sie um neuen Uhr am nächsten Morgen sehen können.
Jetzt war die Zeit für ihn, um zu schlafen - friedlich, wenn das möglich war. Um jeden Preis schlafen. Morgen gab es eine ganze Menge zu tun.
Er ging in sein Schlafzimmer und kam dabei an der immer noch nicht reparierten Wand vorbei. In der Ecke standen, sorgfältig aufgereiht, Tischler-und Maurerwerkzeuge. Er zog Jacke und Hemd aus und dachte dann plötzlich mit einer Art Selbstspott, daß er viel zu unvorsichtig war. Er ging schnell aus dem Schlafzimmer ins Bad. Als er die Tür geschlossen hatte, beugte er sich zu der Schachtel hinunter und hob das Zeitungspapier auf. Das korsische Papier war noch da, und die Silberschicht reflektierte das Licht.
Wieder im Schlafzimmer, holte Matlock die Brieftasche mit Kleingeld und die Autoschlüssel heraus und legte sie auf seine Kommode. Dabei fiel ihm der Umschlag wieder ein.
Er hatte sich nicht getäuscht. Er kannte seinen Vater, besser vielleicht, als sein Vater das ahnte. Wahrscheinlich würde ein Zettel an dem Scheck hängen, auf dem deutlich stand, daß es sich um ein Geschenk, nicht ein Darlehen handelte und er es nicht zurückzuzahlen brauchte.
Der Zettel war da, aber auf ihm stand nicht das, was Matlock erwartete.
Ich glaube an Dich. Das habe ich immer getan. Alles Liebe,
Dad
Und an dem Zettel hing der Scheck. Matlock drehte ihn um und las die Zahl. Er lautete auf fünfzigtausend Dollar.
16
Der größte Teil der Schwellungen in ihrem Gesicht und um ihre Augen war zurückgegangen. Er nahm ihre Hand und hielt sie fest und schob sein Gesicht wieder ganz dicht an das ihre.
»Das wird alles wieder gut«, war alles, war er herausbrachte. Er mußte an sich halten, um nicht seine Wut und gleichzeitig auch sein Schuldgefühl hinauszubrüllen. Daß menschliche Wesen dies einem anderen menschlichen Wesen antun konnten, überstieg sein Begriffsvermögen. Und er trug die Verantwortung dafür.
Als sie sprach, war ihre Stimme kaum zu hören. Sie war wie die eines kleinen Kindes; unbewegliche Lippen formten die Worte nur teilweise.
»Jamie ... Jamie?«
»Sch ... Du darfst nicht reden, wenn es weh tut.«
» Warum ?«
»Ich weiß nicht. Aber wir werden es herausfinden.«
»Nein! ... Nein, tu es nicht! Sie sind ... sie sind ...« Das Mädchen mußte schlucken; es war ihr fast unmöglich. Sie deutete auf ein Glas Wasser, das auf ihrem Nachttisch stand. Matlock griff danach und hielt es ihr an die Lippen, stützte sie an den Schultern.
»Wie ist es geschehen? Kannst du mir das sagen?«
»Greenberg ... gesagt ... Mann und Frau ... kamen an den Tisch. Sagten, du würdest ... draußen ... warten.«
»Laß nur, ich spreche mit Jason.«
»Ich ... fühle mich besser. Ich habe Schmerzen, aber ... ich fühle mich besser, wirklich ... Werde ich wieder ganz gesund?«
»Natürlich wirst du das. Ich habe mit dem Arzt gesprochen.
Du hast viele Hautabschürfungen, aber keine Brüche. Nichts Ernsthaftes. Er sagt, du bist in ein paar Tagen wieder aus dem Bett, das ist alles.«
Patricia Ballantynes Augen leuchteten auf. Matlock sah den schrecklichen Versuch eines Lächelns, zu dem sich ihre genähten Lippen
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