Die Matlock-Affäre
mühten. »Ich habe mich gewehrt ... gewehrt und gewehrt ... bis ich ... mich nicht mehr erinnern konnte.«
Matlock mußte seine ganze Kraft aufbieten, um nicht in Tränen auszubrechen. »Ich weiß, daß du das getan hast. Aber jetzt darfst du nicht mehr reden. Du mußt ausruhen, dich entspannen. Ich werde einfach nur hier sitzen, und wir reden mit den Augen. Erinnerst du dich? Du hast gesagt, wir könnten uns immer mit den Augen verständigen, wenn andere Leute dabei sind ... Jetzt erzähle ich dir einen schmutzigen Witz.«
Als das Lächeln kam, kam es aus ihren Augen.
Er blieb so lange, bis eine Schwester ihn zum Gehen aufforderte. Dann küßte er sie zart auf die Lippen und verließ das Zimmer. Er war ein erleichterter Mann; aber auch ein Mann voll Wut.
»Mister Matlock?« Der junge Arzt mit dem frisch geschrubbten Gesicht des Internisten trat am Lift auf ihn zu.
»Ja?«
»Hier ist ein Telefongespräch für Sie. Sie können es am Empfang im ersten Stock entgegennehmen, wenn Sie mir bitte folgen wollen.«
Die Stimme des Anrufers war ihm unbekannt. »Mr. Matlock, mein Name ist Houston. Ich bin ein Freund von Jason Greenberg. Ich soll mit Ihnen Verbindung aufnehmen.«
»Oh? Wie geht es Jason?«
»Gut. Ich möchte mich sobald wie möglich mit Ihnen treffen.«
Matlock wollte schon einen Ort nennen, irgendeinen Ort, nach seiner ersten Vorlesung. Dann hielt er inne. »Hat Jason Ihnen irgendeine Nachricht übermittelt ... Wo er jetzt ist oder so etwas?«
»Nein, Sir. Nur, daß ich schleunigst Kontakt mit Ihnen aufnehmen soll.«
»Ich verstehe.« Warum sagte der Mann es nicht? Warum identifizierte sich Houston nicht? »Greenberg hat mir ganz eindeutig gesagt, er würde mir Bescheid sagen ... Eine Nachricht ... wo er sein würde. Ich bin ganz sicher, daß er das gesagt hat.«
»Das ist gegen unsere Vorschriften, Mr. Matlock. Er darf das nicht.«
»Oh? ... Dann hat er Ihnen überhaupt keine Nachricht hinterlassen?«
Die Stimme am anderen Ende der Leitung zögerte etwas, merkbar. »Vielleicht hat er es vergessen ... Genau gesagt, ich habe selbst gar nicht mit ihm gesprochen. Ich habe meine Anweisungen direkt aus Washington erhalten. Wo wollen wir uns also treffen?«
Matlock hörte die Angst in der Stimme des Mannes. Als er Washington erwähnt hatte, war seine Stimme unwillkürlich eine Spur greller geworden, ein Ausbruch nervöser Energie. »Ich rufe zurück. Geben Sie mir bitte Ihre Nummer.«
»Jetzt hören Sie mir zu, Matlock. Ich bin in einer Telefonzelle, und wir müssen uns treffen. Ich habe meine Anweisungen!«
»Ja, das kann ich mir vorstellen ... «
»Was?«
»Schon gut. Sind Sie in der Stadt? In Carlyle?«
Wieder zögerte der Mann. »Ich bin hier in der Gegend.«
»Sagen Sie, Mr. Houston ... Stirbt die Stadt?«
»Was? Wovon reden Sie?«
»Ich komme zu spät zu meiner Vorlesung. Versuchen Sie es noch einmal. Ich bin sicher, Sie wissen, wie Sie mich erreichen können.« Matlock legte auf. Seine linke Hand zitterte und auf seiner Stirn standen Schweißtropfen.
Mr. Houston war der Feind.
Der Feind rückte näher.
Seine erste Samstagsvorlesung war um elf. Das ließ ihm gerade eine Stunde Zeit, um die Vorkehrungen für das Geld zu treffen, die ihm logisch erschienen. Die Vorstellung, am Montagmorgen körperlich in Carlyle sein zu müssen - in der Carlyle Bank -, bereitete ihm Unbehagen. Er war nicht sicher, daß es möglich sein würde. Er war nicht sicher, wo er am Montag sein würde.
Da Carlyle an der Oberfläche eine typische Universitätsstadt in New England war, herrschte dort auch ein ganz besonderer Lebensstil, wie er solchen Orten gemeinsam ist. Man war mit allen Leute, deren Arbeit das Alltagsleben so bequem und mühelos machte, gut bekannt und sprach die meisten mit Vornamen an. Der Mechaniker in der Garage hieß »Joe« oder »Mac«, der Geschäftsführer bei J. Press war »Al«, der Zahnarzt »John« oder »Warren«, das Mädchen in der Schnellreinigung »Edith«. Im Falle Matlocks hieß der Bankangestellte »Alex«. Alex Anderson, ein vierzigjähriger Absolvent von Carlyle, ein ortsansässiger Junge, der es zu etwas gebracht hatte. Matlock rief ihn zu Hause an und erklärte sein Problem. Er trug einen größeren Scheck von seinem Vater in der Tasche herum. Er stellte einige Familiennachforschungen auf eigenen Namen an, und diese Nachforschungen waren vertraulicher Natur. Seit dem Einbruch in seiner Wohnung fühlte er sich mit dem Geld nicht mehr sicher und wollte es so schnell wie
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