Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe
sich.«
Glücksspielautomaten? Die Flipper waren keine Glücksspielautomaten! Aber wie sollte er das beweisen?
Mit schlimmen Vorahnungen öffnete er den zweiten, dickeren Brief, der den Absender einer Anwaltskanzlei aus Toledo trug. Er brauchte eine Weile, um sich durch die zwölf Seiten Juristenjargon zu kämpfen. Doch dann wurde ihm schlagartig klar, dass der Ray Paquelli, der ständig erwähnt wurde, nur Ray vom Woodman’s sein konnte – und dass Ray wegen Vertragsbruchs und Diebstahls gegen John, Grace und Henry klagte.
John ließ sich auf einen Stuhl fallen. Er war erledigt. Was konnte er jetzt noch tun? Innerhalb von achtundvierzig
Stunden ab Poststempel des ersten Briefes (also ab gestern!) mussten die Maschinen verschwunden sein. An Ersparnissen hatten sie lediglich eine Handvoll Kleingeld. Und Grace und Henry waren in den Winterferien.
Am nächsten Morgen hielt John eine Telefonkonferenz mit Grace und Henry ab.
»Ruf unseren Jurastudenten Kyle an«, schlug Grace vor.
»Nein. Für diese Geschichten brauchen wir einen richtigen Anwalt«, widersprach Henry.
Johns Nerven lagen blank. »Und wie sollen wir den bezahlen?«
»Ruf auf jeden Fall Kyle Thompson an«, wiederholte Grace. »Er hat das Patent für uns beantragt; vielleicht hilft er uns noch einmal.«
»Aber wahrscheinlich ist er auch zu Hause bei seinen Eltern«, wandte John ein.
»Versuch’s doch zumindest.«
Henry hatte eine andere Idee. »Vielleicht kann Casey helfen.«
»Nein!«, rief John. Casey war die letzte Person, bei der er um Hilfe betteln wollte.
»Aber sie ist doch in der Nähe, in Findlay …«
Grace schnitt Henry das Wort ab. »Wenn John keine Lust hat, Casey zu fragen, darfst du ihn nicht dazu drängen.«
»Okay, okay. Ich mein ja nur …«
»Ich werde versuchen, Kyle zu kontaktieren«, erklärte John. »Vielleicht ist er noch in der Stadt.«
»Sollen wir zurückkommen?«, fragte Grace. »Meine Eltern würden es sicher verstehen …«
John schüttelte den Kopf. »Denk nicht mal daran. Es geht immer noch um ein Spiel, nichts weiter.«
»Klar«, sagte Henry. »Aber ruf an, wann immer du willst. Auch an Weihnachten. Und viel Glück!«
Kyle ging nicht ans Telefon, doch die Ansage auf dem Anrufbeantworter ließ nicht darauf schließen, dass er über die Ferien nach Hause gefahren war. Weil auch keine zweite Nummer erwähnt wurde, stieg John in seinen Trans Am und fuhr direkt zur Juristischen Fakultät. Die Türen des imposanten Gebäudes waren abgeschlossen, aber als ihm zwei Studenten entgegenkamen, konnte er sich durch die große Glastür drücken. Kyle hatte einen eigenen Schreibtisch in einem riesigen Büro im Untergeschoss, das unter Jurastudenten nur »das Gericht« genannt wurde. Es war ein weitläufiger Raum mit Dutzenden von Tischen und Stühlen, die so angeordnet waren, dass man auf den ersten Blick kaum beurteilen konnte, ob der Platz optimal genutzt wurde oder schlicht Chaos herrschte. Zu Johns Überraschung war das Büro selbst zur Ferienzeit halbvoll – und einer der zahlreichen Studenten hieß Kyle Thompson.
»Ah, der aufstrebende Pinball Wizard«, sagte Kyle, als er John kommen sah. »Das Patentamt hat noch nichts von sich hören lassen. Keine Neuigkeiten also.«
»Doch«, entgegnete John, »diese hier.« Er reichte Kyle die Briefe.
Kyle lehnte sich in seinem Stuhl zurück und vertiefte sich in die Dokumente. Fast schien es, als hätte er seinen Gesprächspartner vergessen, so dass John anfing, nervös hin und her zu gehen. Als Kyle endlich die letzte Seite von Rays Klageschrift umblätterte, blieb John stehen. »Und?«
»Das ist nicht mein Gebiet. Mit dem kommunalen Recht kenne ich mich überhaupt nicht aus. Und auch mit der Klage kann ich euch leider nicht helfen.«
»Schon gut.« John griff nach den Briefen. »Trotzdem danke.«
»Moment.« Kyle legte eine Hand auf die Papiere. »Vielleicht können wir trotzdem was für euch tun …«
»Wir?«
»Hey, Angela!«, rief Kyle. Eine brünette Studentin blickte von ihrem Tisch zwei Reihen weiter auf. »Du hast doch mal ein Praktikum im Rathaus gemacht, oder?«
»Ja.«
»Kannst du dir das hier mal kurz anschauen?«
Angela, gut einen Kopf kleiner als Kyle, gekleidet in Wollpullover und grauen Rock, kam herüber. Sie überflog den Brief von der Stadt in Sekundenschnelle, bevor sie ihn lässig auf den Tisch warf. »Das können die nicht machen.«
Zum ersten Mal fasste John wieder Hoffnung. »Nicht?«
»Nein. Glücksspiel fällt überhaupt nicht
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